und Augen der Liebe müßten uns auch nur beurtheilen.
Der Prinz. Ja nun, Conti; – warum kamen Sie nicht einen Monath früher damit? – Setzen Sie weg. – Was ist das andere Stück?
Conti. (indem er es holt, und noch verkehrt in der Hand hält.) Auch ein weibliches Porträtt.
Der Prinz. So möcht’ ich es bald – lieber gar nicht sehen. Denn dem Ideal hier, (mit dem Finger auf die Stirne) – oder vielmehr hier, (mit dem Finger auf das Herz) kömmt es doch nicht bey. – Ich wünschte, Conti, Ihre Kunst in andern Vorwürfen zu bewundern.
Conti. Eine bewundernswürdigere Kunst giebt es; aber sicherlich keinen bewundernswürdigern Gegenstand, als diesen.
Der Prinz. So wett’ ich, Conti, daß es des Künstlers eigene Gebietherinn ist. – (indem der Maler das Bild umwendet) Was seh’ ich? Ihr Werk, Conti? oder das Werk meiner Phantasie? – Emilia Galotti!
Conti. Wie, mein Prinz? Sie kennen diesen Engel?
Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti. Christian Friedrich Voß, Berlin 1772, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Emilia_Galotti_(Lessing_1772).djvu/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)