Am Feiertage (15. August) unternahm das katholische Casino samt dem hochw. Herrn Pfarrer einen Ausflug per „Kremser“, eine Art Stellwagen, oder Zeiserlwagen, nach Bernburg, der Residenz der Herzoge von Anhalt. Auch meine Wenigkeit war dazu geladen.
Bernburgs Schloß liegt reizend an der Saale; der „Eulenspiegelthurm“, in dem der lustige Schalk „gebrummt“ haben soll, überragt das ganze; neben dem Thurme sieht man einen auf den Platz hervortretenden Balkon, im Volksmunde: „Proclamationskasten“, weil von dort der Regierungsantritt u. s. w. der harrenden Menge derer, die sich „anhalten“ wollen, verkündet wird.
Im Schloßgraben befindet sich ein Bärenzwinger, in welchem stets Repräsentanten derer von „Bärenburg“ gehalten werden. Die Herren und Damen aus der Familie „Petz“ benehmen sich ganz gentlemenmäßig, besonders zeichnet sich Petz der Alte aus, der auf seinem Kletterbaume hockend, die ihm zugeworfenen Näschereien mit großer Virtuosität erhascht, wohl manchesmal einen „Fehlschnapper“ thut, der jedoch der zarten, am dunklen feuchten Grunde des Zwingers lauernden Frau von Petz zugute kommt, da sie bereitwillig, aber auch höchst bescheiden mit dem vorlieb nimmt, was sich der edle Gatte vom Munde abspart, das heißt, nicht zu fangen vermag.
Eine angenehme Fahrt per Dampfer auf der Saale, an deren „kühlen Strande“ die Restauration „Parforcehaus“ die durstigen Seelen, besser gesagt, Kehlen anlockt, schloß den Tag ab, nachdem wir noch in der schönen neuen Kirche dem Nachmittagsgottesdienste beigewohnt. Bei demselben sangen wirklich sehr erhebend die überaus zahlreich anwesenden Gläubigen, mit dem Priester abwechselnd, die lateinische Muttergottes-Litanei.
Überhaupt beobachtete ich großen Eifer bei den Katholiken in der Diaspora.
In feuchtfröhlicher Stimmung wurde die Heimfahrt angetreten, wobei sonst weiter nichts passierte, als daß ein Herr in seiner hochgradigen Laune vom Wagen purzelte und stets rief: „Man hat mich mal hinausjeschmissen!“ Doch war alles nur Uebermut der rosigen Laune. Am anderen Morgen sah ich den jungen Herrn schon wieder bei der Schulmesse der Kinder „wachen“. Noch eins! Die Ministranten in Staßfurt bilden eine so specielle Abart ihrer Branche, daß man nicht darauf vergessen darf. Sie nehmen für das Ministrieren kein Geschenk an Geld, „denn“, sagen sie, „es ist für uns eine Ehre und Auszeichnung, dem göttlichen Heiland am Altare dienen zu können!“ Gewiß, eine schöne Erklärung dieser manierlichen Jungen, welche auch wirklich sehr andächtig ihres Amtes walten. Gott erhalte ihren frommen Sinn!
Cz: Eine Volapüktour. Gebrüder Schencker, Staßfurt 1898, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Eine_Volap%C3%BCktour.djvu/11&oldid=- (Version vom 31.7.2018)