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Seite:Durch Indien ins verschlossene Land Nepal.pdf/373

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Buddhisten-Dagobas, an eine Wasserluftblase und dadurch an die schnelle Vergänglichkeit unseres irdischen Daseins erinnern. Wo immer man in der Umgebung eines solchen Tempels geht oder steht, schaut dieses ungeheure, kreideweiße oder schwefelgelbe Vollmondsgesicht ohne Mund und Nase aus der Höhe herunter, als ob es recht höhnisch über die Richtigkeit alles menschlichen Treibens lächelte und zugleich ohne Worte die Allgegenwart eines unerfaßlichen, allwissenden Gottes in gefällige Erinnerung bringen wolle.

In Buddhnath traf ich gleichzeitig mit einer eben aus Tibet anlangenden Karawane vor dem Tempel ein, die außer Salz auch Thee mitbrachte, der allerdings für unsere Feinschmecker wohl nicht sonderlich genießbar gewesen wäre. Zur Ausfuhr nach Nepal wird im westlichen China billiger Thee aus den fast wertlosen größeren Blättern des Theebusches hergestellt, indem diese gedörrt und in Fuchsfell verpackt werden; die Pakete werden dann in Ziegelform gepreßt und auf Grunzochsen verladen. Wie appetitlich dieser Thee stundenlang unter Zusatz von Salz und Butter gekocht wird, habe ich in meinen „Indischen Gletscherfahrten“ ausführlich geschildert.

Wie auf meinen früheren Himalajareisen in den tibetischen Grenzländern Garwal[WS 1], Kumaon und Sikhim schien ich auch in Nepal bei den Tibetern auffallend viel Glück zu haben; von den Frauen schweige ich natürlich. Je mehr ich nämlich in Asien reise, um so komischer wirkt das ganze Treiben der dortigen heiteren und naiven Welt auf mich, so daß ich aus dem Lachen selten herauskomme, und die Tibeter samt ihren Stammverwandten lieben zufällig ein fröhliches Gesicht über alles. Ein Melancholikus, der, à la Hamlet frisiert, mit einem wenn auch noch so berechtigten „Pfui, Pfui darüber!“ durch den Schmutz und das verworrene Unkraut Nepals pilgern wollte, würde bei diesen lebensfrohen, kraft- und saftstrotzenden Steppenvögeln nicht einmal spurenhafte Gegenliebe finden. Jedenfalls hatte ich nicht die mindeste Ursache, mich über unfreundliches oder gar feindseliges Benehmen der Dorfbewohner zu beklagen, obgleich sie bei der Ankunft der schon lange erwarteten Karawane in begreiflicher Aufregung waren, da diese auf den Paßhöhen des Himalaja schwere Schneestürme durchzumachen gehabt hatte. Ein wilderes, bunteres Getümmel als dieses Durcheinander von Tibetern, Schafen, Ziegen und Grunzochsen kann man sich nicht leicht vorstellen.

Kaum ließen sich die einrückenden Tibeter Zeit, ihren auf sie harrenden Freunden und den sie mit Pauken und Trompeten begrüßenden bunt aufgeputzten Musikantinnen hastig die Zunge herauszustrecken, was ja den höchsten Ausdruck tibetischer Freude bezeichnet, und ihnen das durch den Nasenring ihres rotbebänderten Grunzochsen gezogene Leitseil zuzuwerfen. Wie besessen rannten sie zu der Schaitya, wo einer nach dem anderen hastig ein paar Hände voll Salz und Thee auf die Opfermatten vor der Tempeltür warf, vor derselben niederkniete und dreimal mit dem Schädel gegen das Tor pochte, daß es jedesmal wie ein Böllerschuß krachte. Trotz dieses höflichen Anklopfens konnte

ihnen natürlich nicht aufgetan werden, weil sich ja in dem Innern der Schaitya

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Garwal: vergleiche Tehri Garhwal (Staat)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 295. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/373&oldid=- (Version vom 2.7.2018)