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Seite:Durch Indien ins verschlossene Land Nepal.pdf/338

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er persönlich von dem Nutzen einer solchen Verkehrserleichterung ebenso überzeugt sei, wie von der Macht der Engländer, sich im Notfalle einen Weg aus Indien nach Nepal durch die Berge hindurch bohren zu können. „Kämpfen können wir so wenig mit England, wie dies eine Katze gegen einen Löwen kann; wohl aber kann die Katze,“ so fügte er hinzu, „dem Löwen in einem engen Winkel die Augen zerkratzen.“

Eine große Partei unter den Gorkhas, die den Verlust der Provinz Kumaon an die Engländer nicht verwinden konnte, ging sogar so weit, jede Bewunderung der überlegenen Leistungen der Europäer und selbst die Reise Jan Bahadurs nach England, von der er später viele erfolgreiche Neuerungen heimbrachte, ingrimmig als ein folgenschweres Unheil zu betrachten und wiederholt Verschwörungen gegen das Leben dieses klugen Premierministers zu unternehmen, unter dem Vorwande, daß dieser durch das Speisen und Weintrinken mit Europäern seine Kastenvorrechte eingebüßt habe und nicht mehr fähig sei, einen leitenden Rang zu bekleiden. Jan Bahadur, der ein unendliches Vertrauen zu seinem Glücksstern besessen haben muß, weigerte sich zum Erstaunen des Volkes, die Rädelsführer dieses gegen sein Leben angezettelten Komplottes hinrichten zu lassen; er glaubte sie wohl am meisten dadurch zu strafen, daß er sich im Jahre 1853 aus dem Paradeplatz ein stolzes Denkmal in Gestalt seiner vergoldeten Figur in Lebensgröße errichtete, an demselben Fleck, wo bisher ein Pulvermagazin gestanden hatte, das durch einen Blitzschlag explodiert war.

Zwischen diesem Platz und der Stadt liegt der Palast eines früheren Premierministers, des Generals Bhim Sen,[WS 1] neben dem sich eine etwa zweihundert Fuß hohe Säule ohne bestimmten Zweck erhebt, die vom Volksmunde kurzweg Bhim Sens Narrheit genannt wird;[WS 2] dieses auf Seite 255 abgebildete Haus gibt durch seine Bauweise und den Gegensatz der Palmen in seinem Garten zu dem im Hintergrunde hoch in den blauen Himmel hinaufragenden schneeweißen Himalajariesen ein für Nepal sehr bezeichnendes Landschaftsbild ab. Doch auch noch in anderer Weise erinnert dies Gebäude, der eben erwähnten Mäßigung Jan Bahadurs gegenüber, an Vorgänge, die von der bei früheren Parteikämpfen in Nepal üblichen Barbarei sprechen. Als nämlich der eben genannte Premierminister Bhim Sen im Jahre 1839 gestürzt und Ranjang Pandi[WS 3] durch die Partei der Pandis mit seiner Macht bekleidet werden sollte, versuchte man, ihn in seinem Palast durch ausgesuchte Folterqualen zu dem Geständnis zu zwingen, bereits im Jahre 1837 einen jungen Prinzen vergiftet zu haben. Diese Maßregeln waren an beispielloser, echt asiatischer Scheußlichkeit: man beraubte ihn und seine Frauen durch ebenso schmerzhafte wie schmachvolle Quälereien des Kastenranges und marterte vor seinen Augen den mit ihm innig befreundeten Hofarzt, der an dem Giftmord mitschuldig sein sollte, an dem aber, weil er zur Brahmanenkaste gehörte, kein Blutvergießen gewagt werden durfte, indem man ihm mit glühenden Eisen die Stirne sengte, bis das Gehirn

freilag, während man einem eben so unschuldigen anderen Freunde, ohne ihn

Anmerkungen (Wikisource)

  1. WS: Bhim Sen: vergleiche Bhimsen Thapa (regierte als Nachfolger von Damodar Pandi, 1806-1837)
  2. WS: Volksmund; Bhim Sens Narrheit: Vergleiche Anmerkung auf S. 255. Ausdrücklich als Wachturm und im Namen von Königin Tripurasundari errichtet, war der Dharahara-Turm zugleich als antikoloniales Wahrzeichen gedacht
  3. WS: Ranjang Pandi: vergleiche Rana Jang Pande(en, regierte 1837-1840, Sohn des von Bhimsen gestürzten Damodar Pandi)
Empfohlene Zitierweise:
Kurt Boeck: Durch Indien ins verschlossene Land Nepal. Ferdinand Hirt & Sohn, Leipzig 1903, Seite 268. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Durch_Indien_ins_verschlossene_Land_Nepal.pdf/338&oldid=- (Version vom 2.7.2018)