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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Zweiter Band.pdf/238

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Zwecke zu veranstalten. Da der Sekretär mit den Akten, Advokat Flemming, nicht kommt, so wird der wesentliche Theil der beabsichtigten Berathung vereitelt....

17) Sonntag. Meiner Frau Geburtstag. Um 8 Uhr begebe ich mich nach dem Museum. Es ist alles bereit. Nach 1/2 9 Uhr kommt der Prinz mit seiner Begleitung, unserm Hofmarschall und den ihm hier beigegebenen Adjutanten. Der Prinz ist groß und stark, etwa wie unser Ludwig, nur noch kräftiger in den Schultern. Seinem großen Onkel sieht er sehr ähnlich, die jenem eigenthümliche Gesichtsbildung ist noch schärfer ausgeprägt. Vertrauen erweckend ist der Ausdruck des Gesichts nicht, der korsische Typus ist vorherrschend, doch sieht der Mann klug und bedeutend aus. Der Prinz spricht vollkommen gut deutsch, sieht die Bilder mit großer Aufmerksamkeit bis 10 Uhr an, und da diese Zeit ihm nicht ausreicht, um alles gut zu sehen, so erklärt er morgen und auch übermorgen seinen Besuch der Galerie zu wiederholen. Es ist mir doch ganz interessant, den Mann kennen gelernt zu haben. Ich erfahre...., daß der Prinz Absichten hatte auf unsere Prinzessin Sidonia. Da unser König dieser Absicht nicht günstig ist, wurde die Prinzessin .... dem Prinzen gar nicht vorgestellt.... Auch Roquette schreibt und sendet mir in Abschrift von eigener Hand jenes Stück, das er zur Feier meines Geburtstags geschrieben und zur Aufführung gebracht hat.... Nachmittag gehen wir mit Rietschels hinaus nach Zschertnitz und Räcknitz. Der Tag war sehr schön und mild.

18) Montag.... 1/4 9 Uhr begebe ich mich auf meinen Posten im Museum. Grahl[1] stellt sich ein. Er hat den Prinzen, als er noch ein Kind war, in Rom gemalt, darum interessirt er sich für dessen Person und wünscht sich ihm jetzt wieder vorstellen zu können. Der Prinz kommt in derselben Begleitung wie gestern. Zuerst wird das Handzeichnungs- und Kupferstichkabinet in Augenschein genommen, dann die Galerie, nur in umgekehrter Ordnung, betrachtet. Wir beginnen mit den Neapolitanern und Spaniern, gehen dann zu Rubens, Van Dyck und zu den Deutschen. Der Prinz verweilt lange vor dem Holbein und erklärt dieses Bild, wenn auch nicht für das schönste, doch für das seltenste und merkwürdigste der Sammlung. Von da gehen wir durch die kleineren Abtheilungen zu dem Rafael. In der Abtheilung des Ruisdael stellt der Ceremonienmeister von Gersdorff Freund Grahl dem Prinzen vor, und derselbe bleibt von da an in der Begleitung des Prinzen. Etwa 1/2 11 Uhr verläßt der Prinz das Museum, nachdem er die zweite Etage ebenfalls gesehen hat. Das Mengsische Gypskabinet und das historische Museum ist schon gestern von ihm in Augenschein genommen worden. Der Prinz erweist sich als ein Kenner und als ein Mann von Einsicht in Sachen der Kunst. Die Werke voll Geist und Gediegenheit der Durchbildung werden immer mit sicherem Blick herausgefunden. Morgen um 9 Uhr will der Prinz noch einmal kommen. – Hofbaumeister Krüger ist bereits zugegen, sowie auch Gruner zu der verabredeten Besprechung über die Einrahmung des Holbein bereit ist. Wir begeben uns in das Restaurationszimmer und ich trage die eingelaufenen Gutachten der Kollegen vor. Gruner und Krüger sind wenig erbaut davon und noch weniger geneigt, den erfahrenen Tadel gelten und zu neuen Entwürfen sich bestimmen zu lassen. Wir haben jetzt Zeit, da der König morgen nach Italien geht und vor sechs Wochen nicht zurückkehrt, folglich eine Entscheidung nicht erfolgen kann. Ich werde zu den Architekten halten, mag nun gefunden werden, daß eine bessere Lösung nicht zu erzielen ist oder daß in einem neuen Entwurf doch noch ein glücklicheres Resultat erreicht werden kann. Wir sind darin einig, daß die isolirte Aufstellung festzuhalten ist....

19) Dienstag. Um 9 Uhr im Museum. Der Prinz stellt sich bald darauf ein mit dem königlichen Ceremonienmeister von Gersdorff und dem Oberst von Stieglitz. Der Prinz ist orientirt und schreitet, da die Zeit kurz zugemessen ist (um Mittag verläßt derselbe Dresden), rasch durch die Räume, nur bei dem ausgezeichnetsten verweilend. Nach 10 Uhr verläßt Prinz Napoleon das Museum. Beim Abschied reicht er mir die Hand. Die Erinnerung an ihn ist mir werth. Ich würde ihm nicht leicht Vertrauen schenken, aber die Beweise von Einsicht und richtigem Urtheil zeichnen ihn als einen bedeutenden Menschen aus.... Meine Aufzeichnung der „Geburt des Johannes“ wird am Nachmittag fertig und sogleich eine andere: „Jesus unter den Lehrern im Tempel“ begonnen. – Ein Schreiben des Oberkammerherrn von Könneritz vom Weinberge berichtet mir, daß die Königin Marie mit der Frau Erzherzogin Sophie morgen die Galerie sehen wird.

20) Mittwoch.... Museum. Die Königin und die Frau Erzherzogin Sophie kommen erst 1/2 2 Uhr. Se. Exzellenz der Oberkammerherr von Könneritz kommt 3/4 Stunden vorher und unterhält sich mit mir über Palmaroli (den er kommen ließ) und Prinz Napoleon.... Die hohen Schwestern sehen die Galerie nicht ganz so gründlich wie Prinz Napoleon, freilich auch nicht zum ersten Mal.... 6 Uhr Sitzung des Weber-Komitee. Das Schreiben an den Cölner Männer-Gesang-Verein, das Hettner abgefaßt, wird vorgetragen und genehmigt, anderes verabredet, unter anderem ausgemacht, daß die ganze Ausführung des Denkmals, Guß und was dazu


  1. August Grahl, Maler (Rethels und Hettners Schwiegervater), schon erwähnt am 15. Oktober 1851.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 235. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/238&oldid=- (Version vom 4.7.2024)