Getreide vorräthig halte[1]. Das am 17. Dezember 1684 eingereichte Vorrathsverzeichniß ist deshalb von Interesse, weil es bereits 49 Handwerksinnungen aufweist. Es sind gegenüber dem vom Jahre 1588 mit 31 Handwerken 18 neue Gewerbe, zum Theil durch Spaltung der alten infolge Arbeitstheilung, hinzugekommen. 15 Jahre später, 1699, wurde wieder bei den Aeltesten der Handwerke nach dem Getreidevorrath gefragt. Darauf erhielt der Rath den Bescheid, daß sie durch das Miethen von Räumlichkeiten zu große Unkosten gehabt hätten, ferner sei ein großer Theil des Vorrathes von Würmern und Mäusen verdorben und verzehrt worden. Aus diesen Gründen hätten sie keinen Vorrath mehr gehalten. Um das Getreide vor Würmern und Mäusen zu schützen und das Halten von Vorrath zu erleichtern, wurde im Jahre 1714 der Boden der Sophienkirche als Lagerraum ausersehen und bestimmt, daß der Vorrath nur in Mehl aufbewahrt werde, weil man dieses öfters gegen frisches umtauschen könne. Der ganze Vorrath konnte leicht von 1 bis 2 Personen bewahrt und im Nothfalle den Zünften zugemessen werden. In früheren Jahren hatte jeder Meister sein eigenes Haus gehabt, wo ihm immer noch irgend ein Kämmerchen verblieb, in dem er den nach Befehl der Obrigkeit zu haltenden Vorrath aufbewahren konnte. Dies hatte sich insofern geändert, als jetzt die meisten Handwerksmeister in gemietheten Wohnungen lebten, wo sie mit dem Raume auf das Nöthigste beschränkt waren, zumal die Gesellen und Lehrlinge, wie von jeher, die Wohnung des Meisters theilten. Die Miethen waren bedeutend im Preise gestiegen. Um 1600 zahlte ein Meister für Miethe etwa 18 Thaler, während er nunmehr gegen 50 Thaler dafür aufwenden mußte. Bei Wohnungswechsel, der viel häufiger als früher stattfand, mußte der Vorrath mitgenommen werden, was auch leicht Verluste ergab[2]. Der Vorrath des Rathes in der Kreuzkirche war 1724: 1284¾ Scheffel, also auch gegen frühere Jahre bedeutend geringer. Dagegen wurde bei einer Revision im Jahre 1740 ein beträchtlicher Vorrath vorgefunden. Im Oktober 1740 waren nach guter Ernte 20 000 Scheffel aus Böhmen und 12 819 Scheffel elbaufwärts nach Dresden gebracht worden. Die mit 1000 Thalern nach Böhmen gesandten Bäcker kauften den Strich Weizen daselbst zu 2 Thalern 22 Gr., Korn zu 2 Thalern 5 Gr. und berichteten, daß in dem Schutthause zu Lowositz und bei mehr als 200 Getreidehändlern in Aussig viele Tausend Scheffel auf Vorrath lägen. „Sobald nur trigesimum a morte Imperatoris Romani die gewöhnliche Sperrung aufgehoben sei, könne noch viel Getreide nach Dresden gebracht werden.“ Der Rath schreibt an den Kurfürsten, daß die Hospitäler, Waisen- und Findelhaus mit Vorräthen versorgt seien und er habe noch 2000 Scheffel aufschütten lassen. Bei den Bäckern wurde am 7. Dezember eine Revision vorgenommen, die einen größeren Getreidevorrath ergab. Vom 20.–26. November 1740 wurden in Dresden eingeführt: 390 Scheffel Weizen, 2851 Korn, 3803 Gerste, 3598 Hafer 35 Linsen, 137 Erbsen.
In guten Jahren kamen die Vorschriften über Vorrathhaltung mehr und mehr in Vergessenheit, doch sobald schlechte Ernten eintraten, wurden sie wiederholt und, zumal in den Jahren 1771 und 1772, wo in Sachsen infolge Mißernte Theuerung und Hungersnoth herrschte, aufs schärfste durchgeführt. Sie wirkten dann aber meistens nur durch ihre Strafen, ohne dem Mangel in Wirklichkeit abzuhelfen. Dies mußten im Frühjahre 1772 sämmtliche Bäcker Dresdens hart empfinden. Bei einer am 21. September 1771 stattgefundenen Getreiderevision hatte es sich herausgestellt, daß nur ganz geringe Vorräthe beim Bäckerhandwerke vorhanden waren[3]. Die Bäcker sagten jedoch, daß sie mehrere Schiffe mit Getreide erwarteten und sich getrauten, die Stadt mit dem nöthigen Bedarf zu versorgen. Das schien aber eine leere Ausrede gewesen zu sein, besonders wohl, um das Volk zu beruhigen, das bereits am 24. und 25. September mit Ungestüm auf die Bäcker eindrang und Brod verlangte. An diesen beiden Tagen hatten nur 8 Bäcker den Markt bezogen, und da keine Landbäcker dagewesen waren, so war dieser kleine Brodvorrath in der kürzesten Zeit vergriffen, obwohl ein Pfund Brod 2 Groschen kostete[4]. Als auch die folgenden Monate keine Besserung brachten, bestrafte am 7. Mai 1772 der Kurfürst sämmtliche Bäckermeister wegen Unterlassung des Vorrathhaltens mit 14 Tagen Gefängniß. Es waren nur drei ausgenommen, die wahrscheinlich den vorgeschriebenen Vorrath besaßen; zwei Meister, die ihr Unvermögen, Vorrath zu halten, nachwiesen, wurden nur mit drei Tagen Gefängniß bestraft[5]. Alle Bitt- und Gnadengesuche der übrigen wurden abschlägig beschieden. Der Kurfürst wollte durch dieses Beispiel für alle Zeit enthoben sein, die alten Vorschriften immer wieder zu erneuern. So wanderten vom Mai 1772 ab immer je vier Bäckermeister auf 14 Tage ins Gefängniß, worüber der Stockmeister Stübler genauen Bericht an den Rath abstattet. Im Ganzen haben 55 Meister die 14tägige Gefängnißstrafe in Bürgergehorsam abgesessen[6]. Doch noch eine weitere Folge
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 2 (1897 bis 1900). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1897 bis 1900, Seite 220. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Zweiter_Band.pdf/223&oldid=- (Version vom 16.8.2024)