reise ich nach Limburg ab, dort auf Jeschki[1] rechnend und Gott dankend, daß ich aus Frankfurt komme, nachdem Baron Hügel mir einen anderen Paß hatte ausstellen lassen. Auf den schlechtesten Wegen gelange ich in der Nacht in Königstein an und setze meinen Weg über Würges nach Limburg fort, wo ich
den 31. März früh 7 Uhr eintreffe. Ich eile zu Major Jeschki, der mich sogleich bei sich aufnimmt und mir allen möglichen Beistand zur Erreichung meines Zweckes leistet. Fourier Nagel wird sogleich mit Etappenfuhren und einem anonymen Brief an Zezschwitz abgesandt und aufs beste instruiert. Hier bleibe ich verborgen, und obschon mancher der Hiesigen sich erinnert, mich schon gesehen zu haben, so erfährt doch keiner, wer ich eigentlich bin.“
„Den 2. April treffen des Nachmittags Oberstleutnant Wittern[2] und Leutnant Altrok[3] vom 1. Linienregiment in Limburg ein. Sie wundern sich meines Hierseins nicht wenig. Mit Wittern verbringen wir [die Zeit] bis am späten Abend. – Von der Armee hörte ich schon von Burkersroda die beruhigendsten Nachrichten, nämlich daß alle Offiziere aus den angeblich preußisch werdenden Provinzen sich nur dahin erklärt hätten, sie würden nur dann in preußische Dienste treten, wenn der König sie ihrer Pflicht entlassen sollte; dann würden die preußische Dienste nehmen, die nach ihrem Geburtsort preußische Untertanen würden[4]. Ehe unser Korps Köln verlassen, und als die Nachricht von Napoleons Landung angekommen, haben mehrere Bürger und Soldaten in der Trunkenheit Napoleon ein Vivat gebracht. Thielmann hat hierauf von Totschießen gesprochen, allein Bürger und Soldaten haben sich hierauf verlauten lassen, er solle dies nur tun, dann würde auch er am längsten existiert haben.“
„3. April. Das Erwarten der Rückkehr Nagels peinigt mich fürchterlich. Nirgends habe ich Ruhe, immer lebe ich nur in banger Erwartung. . . . . .“
„Den 4. April früh 1 Uhr trifft Fourier Nagel wieder ein, mit ihm der Feldpostmeister Stange, den Oberst Zezschwitz sendet, um mich nach Deutz zu holen, woselbst er heute früh eintreffen wird. 1/2 2 Uhr früh fahre ich mit Stange von Limburg ab über Freylingen, Altenhof, Siegburg bis Deutz (16 Meilen), woselbst wir 1/2 5 Uhr nachmittags eintreffen. Sogleich kommt Zezschwitz mit seiner Frau und Koppenfels. Meine mündlichen Aufträge an ihn waren, ihm zu sagen:
[1.] Daß fortwährend sich eine Anzahl Deputierter der Stände in Wien versammeln; wenn sie beisammen sind, werden sie unter Vortritt des Ministers Grafen Hohenthal, des Vizesteuerdirektors Nostitz, des Geheimrats von Gutschmidt und des Oberhofrichters Werthern einen Antrag an den Kongreß machen und um die Unteilbarkeit des Landes bitten. Erstere vier sind von dem König zu einer Beratung berufen.
[2.] Daß das österreichische Kabinett dermalen sehr schwach sei. Metternich, glaubt man, sei von Preußen bestochen[5]. Er hat in der allgemeinen Achtung sehr verloren.
[3.] Daß Langenaus Absicht sei, die Armee, wenn sie nicht gerade zu der österreichischen stoßen könne, unter das Kommando des Herzogs von Koburg[6] zu bringen, der sich fortwährend sehr für den König ausgesprochen. Langenau wird alles aufbieten, daß die Teilung bei der Armee nicht erfolge, daß Thielmann das Kommando verliere und sie unter Wellington zu stehen komme; dann ist Lecoqs Rückkehr zum Korps keinem Zweifel unterworfen[7].
[4.] Daß man in Wien allgemein der Meinung sei, die Landung Napoleons sei mit Vorwissen Englands und Österreichs geschehen[8]. In einer Proklamation, die er erlassen, sagt er, mit Österreich sei er aufs Reine, mit England habe er einen zwanzigjährigen Frieden.
Auffallend ist des Prinzen August von Preußen[9]
- ↑ Etappenkommandant in Limburg; von den 5 Offizieren dieses Namens könnte hier Mj. Heinr. Gottl. Erdmann v. Jeschki vom Grenadierregiment oder Mj. Wolf Friedr. v. Jeschki vom 2. leichten Infanterieregiment gemeint sein.
- ↑ Siegm. Georg Friedr. Aug. v. Wittern.
- ↑ Heinr. Ad. v. Altrock.
- ↑ So einfach war die Sache in keinem Stadium ihrer Entwickelung, weder damals noch später. Es bestanden große Unterschiede sowohl in der Haltung der Regimenter (s. o. Anm. 302 u. 305) als auch der einzelnen Offiziere innerhalb der Regimenter, woraus sich dann auch die später so verschiedene Haltung der Mannschaften bei den einzelnen Bataillonen und Waffengattungen erklärt. Ausführliche Angaben macht darüber Ad. v. Zezschwitz in seiner schon mehrfach zitierten „Aktenmäßigen Darstellung usw.“
- ↑ Für diese Annahme fehlt jeder Anhalt. Freilich war Metternich von aller Gefühlspolitik weit entfernt. Er machte nur österreichische Politik und brachte zuerst (in der Note an Hardenberg vom 22. Okt. 1814) im Interesse einer friedlichen Verständigung mit Preußen eine Teilung Sachsens in Vorschlag.
- ↑ Ernst I. war sehr energisch für den König von Sachsen eingetreten in seinem Schreiben an Lord Castlereagh, datiert Wien, 14. Okt. 1814 (s. Klüber a. a. O., S. 15 ff.), das in etwas veränderter Form und anonym in verschiedene öffentliche Blätter überging, z. B. in die Allg. Zeitung (4. Jan. 1815). Es war dieser Schritt vonseiten des Herzogs ein Akt der Dankbarkeit, da Friedrich August seinerseits sich (1807) für den Herzog verwendete, als Napoleon ihn, weil er russischer General war, absetzen wollte. (Vgl. Bülau, Geh. Gesch. III, 351.)
- ↑ Lecoq hatte den König von Sachsen um Rücksendung zur Armee gebeten, war aber von ihm an den König von Preußen verwiesen worden. (Vgl. Ad. v. Zezschwitz a. a. O., S. 266 f.)
- ↑ Diese phantastische Kombination zeigt, was man damals alles für möglich hielt.
- ↑ Bruder des bei Saalfeld gefallenen Prinzen Ludwig. Er ging nach Berlin, um die Rüstungen der Artillerie zu beschleunigen. 1815 hatte er die Festungsbelagerungen zu leiten. (Allg. dtsche. Biogr.)
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 286. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/291&oldid=- (Version vom 9.4.2025)