Sachsen im südlichen Deutschland machen werde, das Projekt, Sachsen zu erlangen, ganz aufgegeben.“
22. Oktober. „ . . . . . . General Thielmann reist in die Eiffel nach Ahrweiler, um die daselbst stehenden [Truppen] des ersten leichten Regiments unter der Agide von Brause wieder für sich zu gewinnen. Er spricht sehr vorteilhaft vom König, wodurch er ihnen Sand in die Augen zu streuen bemüht ist. Er soll seine Absicht nicht verfehlt haben, da man sich sehr demütig und kriechend gegen ihn bewiesen hat. – Von seiner ganzen Umgebung hatte ihn niemand begleiten wollen. Oberst Ziegler[1] hatte er dieserhalb sehr ernste Anforderungen machen müssen, bis dieser sich endlich dazu entschlossen hatte.“
23. Oktober. „Früh 1/2 8 Uhr mit dem General, Senft und Solms nach Neuwied gefahren, um daselbst dem Gottesdienst der dasigen Herrnhuter Gemeinde beizuwohnen. Er findet unser aller Beifall seiner Einfachheit wegen. Am Geistlichen finden wir einen sehr guten Kanzelredner. . . . . . . Am Abend, nach unsrer Rückkehr usw. . . . präsentierte Criegern[2] seine äußerst beißende und witzige Beantwortung der Wachlerschen Schmähschrift.“
24. Oktober. „ . . . . . . Thielmann hatte heute unter seiner Umgebung die Nachricht verbreitet, als habe er über Sachsens Schicksal bestimmte Nachricht, daß es preußisch werde. Nach allen geschehenen Nachforschungen ergibt es sich jedoch, daß er bloß die Absicht gehabt, zu sehen, welchen Effekt eine dergleichen Nachricht hervorbringen werde.“
26. Oktober. „ . . . . . . Herr Görres macht in seinem gestrigen Merkurblatt das Unbegründete der Nachricht bekannt[3], als seien General Lecoq und Oberst Zezschwitz verhaftet nach Torgau und Wittenberg abgeführt worden.“
27. Oktober. „Der Tag vergeht unter Arrangements zu des Generals morgender Geburtstagsfeier. – Sicher würde er nicht das mindeste davon geahnt haben, wenn er nicht am Abend mehreren Sappeurs mit Reisigwagen begegnet [wäre], von denen einer auf seine Frage nach der Bestimmung des Reisigs sagte: „Geburtstag unseres Generals!“
28. Oktober. „ . . . . . . Der Morgengesang aus dem Jakob[4] weckte den General aus seinem Schlummer. Kaum hatte er ertönt und Major Koppenfels[5], sich als Sohn betrachtend, seinen Glückwunsch angebracht, so traten wir zu ihm. Er war von der Aufrichtigkeit unserer Wünsche so ergriffen, daß er, sich hier ganz als unser väterlicher Freund zeigend, uns mit tränenden Augen umarmte und recht herzlich küßte. Stets wird mir dieser Moment unvergessen bleiben. Bald nachher erfolgten die Glückwünsche aller Regimenter durch Deputationen. Von der Brigade war das ganze Korps Offiziere versammelt. Der Auditeur Schade[6] übergab ein Gedicht im Namen aller. Hierauf kam eine Deputation von Unteroffizieren und Gemeinen von der Brigade und wünschte ebenfalls recht herzlich Glück. Ein Gedicht von Major Trosky[7] vom 1. Linienregiment erregte unser aller Beifall. Reinigern[8] seines enthielt mehrere hübsche Stellen. Mittags 2 Uhr begann das in Thal im Nassauer Hof arrangierte Fest. 49 Personen okkupierten die sehr gut dekorierte Tafel. . . . . Die erste Gesundheit, welche der General folgendermaßen ausbrachte: „Unsere Hoffnung, unsere heißesten Wünsche, der König! Er lebe hoch!“ machte den tiefsten Eindruck auf alle, und gewiß ein jeder zollte dem verehrten Friedrich August neue Tränen innigster Teilnahme über sein zeitheriges unglückliches Schicksal! O, wenn heute eine für ihn günstige Nachricht bei uns ankäme, wahrlich, der heutige Tag wäre der froheste unseres Lebens geworden; so mischte sich allerdings in jede frohe Minute der Gedanke der Besorgnis für die Zukunft ein und verbitterte uns dadurch die wahre, reine Freude. Das God save the King[9], welches [nach] der gedachten Gesundheit durch die Musik ertönte, erhöhte das Herzerhebende. – Daß General
Thielmann, der heute zu einer fête beim Gouvernementskommissar Sack invitiert war, nach Beendigung
- ↑ Ad. Gottlob Ehrenreich Aug. v. Ziegler und Klipphausen, Oberst d. Kav. und (1815) Generaladjutant.
- ↑ Prlt. Heinr. Alex. v. Criegern; die hier erwähnte Entgegnung ist wohl identisch mit der „Darstellung der Marburger Schlägerei“ (dat. Koblenz, d. 24. Okt.!), die in der Lpz. Zeitung vom 31. Okt. 1814 erschien.
- ↑ Es ist anzunehmen, daß dies auf Kleists Veranlassung geschah, der im Nov. 1814 (s. u. 22. Nov.) eine ähnliche Bekanntmachung, worin er zugleich seiner Achtung für Lecoq Ausdruck gab, in die sächsischen Blätter einrücken ließ (vgl. HStA. Loc. 2549. Akta, Bekanntmachung der in Dresden erschienenen Armeenachrichten betr. 1814–1815), die z. B. zu finden ist in der Lpz. Zeitung vom 3. Dez. 1814. – Bei der Gelegenheit sei auf einen interessanten Brief Kleists an Lecoq verwiesen (dat. Burtscheid b. Aachen, 9. Juli 1815, also nach den bedauerlichen Ereignissen in Lüttich!), worin Kleist von seiner unveränderlichen guten Meinung vom sächsischen Korps spricht (Kr.-A., Loc. 825. Affaire in Lüttich. Mai 1815).
- ↑ „Jakob und seine Söhne“ (= „Joseph in Egypten“) von Mehul, 1807 zum 1. Male aufgeführt, 2. Akt.
- ↑ Fr. Heinr. v. Koppenfels, Souschef des Generalstabes des sächs. Korps, war schon 1813 Chef des Generalstabes der Division Lecoqs gewesen.
- ↑ Karl Ludw. Schade, Brigadeauditeur.
- ↑ Gg. Fr. Ludw.[WS 1] Gotthelf v. Trosky.
- ↑ Wahrscheinlich Emil Reiniger, der dem Heere angehörte, aber nicht als Offizier; denn er findet sich in keiner Rangliste; s. u. 6. Nov. (Anm. 149.)
- ↑ Vgl. O. Richter, Ursprung der Sachsenhymne, in den Dresdner Geschichtsblättern Bd. 1, S. 147. A. Kummer (a. a. O., S. 104) erzählt, daß er in Höchst am 28. Juli 1815 mit russischen Offizieren „Den König segne Gott“ gesungen hätte.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Lndw.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/228&oldid=- (Version vom 13.3.2025)