richtigermaßen nicht ohne Ursache hier. General Kleist, der ihn sehr liebt und ein sehr rechtlicher Mann sein muß, hatte ihn beauftragt, da er mit allen in der Armee bekannt ist, die Stimmung unter der Armee zu sondieren, ob sie wirklich revolutionär sei oder nicht, in welches erstere Licht Thielmann sie gestellt hatte. Ob die ganze Äußerung von unten entstanden oder von obenherein inspiriert worden wäre usw. Watzdorff hatte sehr bald die Sache durchschaut und unter der Leitung Zezschwitz’ einen Brief hierüber an Kleist geschrieben. Hierin hatte er ihm alles ganz offen und wahr dargestellt und versichert, daß er nichts weniger als revolutionäre Ideen gefunden, daß die Armee nur allein ihre Wünsche habe an den Tag legen wollen, daß übrigens General Thielmann selbst durch sein Benehmen die Armee dahin gebracht habe, indem er sie ihres Eides gegen den König gänzlich entbunden und bekannt gemacht habe, daß das Schicksal eines jeden in seiner Hand ruhe, daß er ferner durch sein tyrannisches Benehmen gegen alle, durch stete Grobheit usw. die Stimmung aller so gegen sich gereizt habe, daß die Armee den Augenblick segnen würde, wo sie einen anderen General an ihrer Spitze sähe, er sei von einer Armee, von welcher er wolle. – Diese offene Darstellung wird wohl ihren erwünschten Zweck haben. [Dem General] Müffling scheint Watzdorff nicht ganz zu trauen, da er diesen Brief nicht hier absandte, sondern durch den Oberstleutnant Thiele, der von Frankfurt aus nach Aachen zurückgeht . . . . . .“
„18. September. . . . . Die Bataillone exerzierten auf ihren Bataillonsexerzierplätzen. General Thielmann besucht die Garde und das 2. Grenadierbataillon und rühmt sich gegen Louis, daß die Garde ihm ein Hurrah gebracht habe, was keineswegs der Fall ist.“
„21. September. General Thielmann reiste heute zur leichten Infanterie, um diese zu revidieren. An der Moselbrücke holt er die Garde ein, welche sich ziemlich ungesittet gegen ihn beträgt. Sie macht ihm zum Durchfahren keinen Platz. Dann ruft sie, als er durchfährt: „Adieu, glückliche Reise! Hurrah! usw.“ ihm zu und zeigt ihm das schlechte Kommißbrot[1] in den Wagen. – Thielmann hatte vor Wut geschäumt, jedoch nicht gewagt, etwas zur Steuerung dieses Unmutes gegen ihn zu unternehmen; wahrscheinlich schlug ihm sein böses Gewissen. Bei der leichten Infanterie hatte er bei der Tafel sein Herz ausgeschüttet und sich bitter beklagt, daß es höchst schmerzhaft für ihn sei, nicht einen Freund in der sächsischen Armee zu haben. General Brause hatte ihm schmeichelnd versichert, daß dies nicht der Fall sei; die Armee liebe ihn zärtlich. Allein Thielmann hatte die wahre Bemerkung gemacht, von Liebe könne jetzt nicht mehr die Rede sein, da alles ihn hasse. Major Rade hatte die Gelegenheit ergriffen, ihm zu versichern, daß nur dadurch die Herzen aller sich von ihm gewendet, daß er den heißesten Wünschen der Armee gänzlich entgegen sei. . . . . .“
„24. [September]. General Thielmann reiste schon gestern nach Wittlich[2], um die Brigade Ryssel zu sehen; auf die unsere scheint er einen bedeutenden Haß geworfen zu haben, da er sie gar nicht sehen will.
Vormittags erhielt der General einen sehr schmeichelhaften Brief von General Kleist, woraus deutlich zu ersehen war, daß Kleist das Benehmen der Armee und namentlich das des Generals Lecoq sehr billigt. – Feldjäger Jentzsch kehrt von Berlin zurück. Er hatte den König[3] sehr wohl getroffen, hatte sich jedoch vor dem Pöbel nicht dürfen in Uniform sehen lassen, da man ihm dann gleich auf die Sporen getreten und das Portepee abgerissen hatte. . . . . .“
„27. September. . . . . . . Bei Gelegenheit, als der General ausritt, erwischte er einige Tamburs des Gardebataillons bei Entwendung von Obstfrüchten. Er ließ sie zu Arrest bringen und abends beim Aufstellen des Bataillons einen jeden mit 20 Stockschlägen ad posteriorem bestrafen[4]. Das Beispiel schien viel Eindruck zu machen, da der General wenig, aber ziemlich ernste Worte ans Bataillon sprach.“
„28. September. . . . . . . Die Brigade kam erst gegen 10 Uhr in Bewegung. Sie hatte nur ein kleines Pensum[5] zu lösen. Das, was ihr aufgegeben war, führte sie sehr gut aus. General Kleist bewies schon, als er des Generals Lecoq ansichtig wurde, viel Freundschaft gegen ihn, General Müffling nicht weniger als jener. . . . . . Nach beendigter Revue mit dem General nach Mayen[6], da der General und ein Adjutant zu dem großen Diner, welches General Thielmann gab, invitiert waren. Von der Armee waren sämtliche Regiments-, Bataillons- und Eskadronskommandanten hierzu invitiert. Major Römer[7] vom Gardebataillon war der einzige, bei dem dies nicht
der Fall war. Seit der Müfflingschen Unterredung,
- ↑ Die sächsischen Truppen wurden aus Magazinen, und zwar sehr schlecht und ungenügend, verpflegt. Doch war das nicht Thielmanns Schuld, der sich vielmehr ernstlich bemühte, diesem Übelstande abzuhelfen. (Holtzendorff, a. a. O., S. 165.)
- ↑ Rgbez. Trier.
- ↑ Friedrich August weilte als Gefangener seit Aug. 1814 in Friedrichsfelde bei Berlin, während ihm vorher Berlin selbst als Aufenthaltsort angewiesen worden war.
- ↑ Die Prügelstrafe war beim sächs. Heere noch in Gebrauch, beim Banner aber ausgeschlossen.
- ↑ Es handelt sich um das am 27. September begonnene Korpsmanöver bei Pollich vor dem General Kleist.
- ↑ Rgbez Koblenz.
- ↑ Joh. v. Römer, kommandierte das Gardebataillon noch zur Zeit seiner Auflösung im Mai 1815.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 218. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/223&oldid=- (Version vom 11.3.2025)