zu lohnender Beschäftigung, ritterliche Turniere auf dem Markte und im Schloßhofe, Ringelrennen im Stallhofe und Tierhetzen in dem neuerbauten Jägerhofe in Altendresden boten der Schaulust der Einheimischen und fremden willkommene Nahrung. Die Prachtentfaltung dieses reichsten deutschen Fürstenhofes, von der auch die kunstvollen, goldstrotzenden Rüstungen im Historischen Museum, die kostbaren Gefäße und Geräte im Grünen Gewölbe noch Zeugnis geben, wirkte weit hin anregend und fördernd auf Kunst und Gewerbe, bis der Dreißigjährige Krieg mit seinen Schrecken dem glanzvollen Leben und Treiben Einhalt gebot.
Kaum jedoch hatten sich die Stürme des Krieges gelegt, als auch die Prunksucht des Hofes sich wieder regte, zunächst freilich überwiegend als Lust an bloßen Schaustellungen und Vergnügungen, ohne daß viele Kunstschöpfungen von dauerndem Werte daraus hervorgingen. Aber seit der Thronbesteigung Augusts des Starken verband sich der Lurus wieder in hohem Maße mit ernster Kunstpflege. War doch August selbst ein Meister in allen Künsten wenn auch nicht in der für den Fürsten wichtigsten, der Staatskunst, denn sein auf das Phantastische gerichteter Geist überflog gar zu leicht die Grenzen des in der Wirklichkeit Erreichbaren. Die Erwerbung der Krone Polens, die dem Sachsenlande ungeheure Opfer an Geld und Blut auferlegte und dennoch seine Macht nur scheinbar erhöhte, gab ihm die äußere Berechtigung zur Entfaltung Königlichen Glanzes, und wenn sein das Höchste erstrebender Ehrgeiz zum Ziele gelangt wäre, hätte Dresden nochmals Aussicht gehabt, die Residenz eines Kaisers zu werden. Aber auch schon als Hauptstadt des sächsisch-polnischen Reiches war es zeitweilig der Knoten punkt, in dem die Fäden nordosteuropäischer Politik zusammenliefen. An Pracht und Würde fürstlichen Auftretens wäre August wohl seinem Vorbilde Ludwig XIV. gleichgekommen, hätten ihm die Mittelfrankreichs zu Gebote gestanden. Dresden ward durch ihn nicht bloß ein kleines, sondern ein zweites Paris, in dem die vornehme Welt des Ostens und Nordens zusammenströmte, um sich an den hier vereinigten Kulturgenüssen des Westens und Südens zu ergößen.
Großartige Bauten entwarf August, um seine Hauptstadt zu einem würdigen Rahmen königlicher Prachtentfaltung umzugestalten. Seine Pläne für den Bau eines neuen Schloffes auf dem jezigen Theater plate sind zwar nicht zur Ausführung gelangt, aber im Zusammenhange damit entstand ein Werk, einzig in seiner Art und damals mit nichts in der Welt vergleichbar: der Zwinger. Zum Schauplatz für die Feste des Hofes bestimmt, ist dieses Meisterstück des Barock. stils ein künstlerisches Denkmal der phantastischen Sinnenlust jener Zeit und verkündet noch heute den Ruhm seines Erbauers Pöppelmann und des kunstverständigen königlichen Bauherrn. Daneben gingen aus der Baulust des Königs zahlreiche andre große Werke hervor. Das Prinzenpalais am Taschenberge, eine stattliche Hauptwache am Neumarkte wurden errichtet, der Große Garten, die köstliche Schöpfung Johann Georgs II., erweitert, verschönert und reich mit Bildwerken italienischer Künstler geschmückt. Die Elbbrücke erhielt die Gestalt eines den Strom überspannenden mächtigen Triumphbogens, der dem Ansturm der Jahrhunderte getrost hat, bis ihn – gerade jetzt sehen wir ihn fallen – die Gewalt des neuzeitlichen Verkehrsbedürfnisses stürzte. Auf dem Boden des durch Brand zerstörten Städtchens Altendresden ward ein neuer großangelegter Stadtteil geschaffen. Hier in dieser Neustadt erstand in wenigen Jahrzehnten eine Reihe hervor ragender Gebäude: das Japanische Palais, das Blockhaus, die Ritterakademie, die großen Kasernen, die Dreikönigskirche. Endlich wurde unter Augusts fördern. dem Einflusse auch noch das Bauwerk begonnen, das mit seiner majestätischen Kuppel dem Stadtbilde für alle Zeiten feine schönsten Linien gegeben hat: die Frauenkirche, George Bährs herrliche Schöpfung, durch und durch aus protestantischem Geiste heraus geboren und deshalb von jeher von der ganzen Liebe der Bevölkerung umfangen. Diesem Gotteshause der Bürgerschaft, der selbständigsten Leistung des deutschen Barockstils auf kirchlichem Gebiete, hat Augusts des Starken Sohn und Nachfolger ein andres gegenübergestellt, das dritte architektonische Prachtstück jener Epoche: die katholische Hofkirche Chiaveris, ein Meisterwerk italienischer Baukunst, voll malerischen Reizes und von vollendeter Anmut der Formen. Zu gleicher Zeit er richtete der Rat in beiden Stadthälften neue Rathäuser, die Adelsfamilien ließen sich prächtige Stadtwohnungen bauen und die vermögenden Bürger eiferten ihnen nach. Auch die Vorstädte und die Umgebung schmückten sich mehr und mehr mit Palästen, Landhäusern und Luftgärten – Dresden ward zur Musterstadt des Barock- und Rokokostils in Deutschland.
Und welch ein Bild bunten Lebens erfüllte diesen Rahmen! Steigerte sich doch die Bevölkerung der Stadt in 50 Jahren von 21 000 Köpfen auf das Dreifache, waren doch bei einem Besuche, den August 1732 den Bauten in der Neustadt abstattete, dort allein gegen 2000 Künstler und Arbeiter in Tätigkeit! Eine ge- schäftige Menge bewegte sich in den Straßen, dazwischen die Reisewagen der ankommenden fremden, die Porte- chaisen der Vornehmen, die Karossen des Adels, die fechsspännigen Staatskutschen des Hofes mit ihren Vor- reitern und Läufern. Ging es bei der Abwesenheit des königlichen Hofes in Polen hier etwas stiller zu, so ward es bei seiner Rückkehr um so lebendiger. Züge
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 187. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/192&oldid=- (Version vom 19.9.2024)