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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/187

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Begleitung hierher gekommen sei. Sonach hielt ich meine Predigt in matre glücklich mit aller Dreistigkeit und vielen Lobsprüchen, besonders des Schulmeisters, der so etwas noch nicht in Finsterwalde[1] gehört haben wollte. Dieses Urteil schien insofern auch nicht über trieben zu sein, da, soviel ich dem alten Pfarrer einen halben Tag lang bei meinem Besuche abmerken konnte, sehr wenig dazu gehören mochte, eine bessere Predigt als er zu halten. Um so weniger hatte ich nun Be denken, mich dem geistlichen Stande zu widmen.

Der Unbequemlichkeit meines zweiten Quartiers bei meines Vaters Bruder Gottfried habe ich bereits gedacht. Was mir jedoch dasselbe bei allen echt herzlichen Gesinnungen meines Herrn Vetters gleichwohl noch mehr verleidete, war der Umgang mit seiner Familie. … … … … …

Dies nötigte mich, dieses zweite Quartier mit dem dritten und letzten zu vertauschen, so ungern auch mein guter Onkel diese Trennung sah, da es ihn bisher wohlgetan hatte, daß er Abends jemand fand, mit dem er seiner Neigung gemäß über theologische und andere wissenschaftliche Dinge gründlicher als mit vielen andern diskurrieren konnte. Mein guter Genius führte mich von Michaelis 1770 an zu zwein Wittben, Mutter und Tochter; jene, die Opitzin, damals 62, diese, die Walterin, 39 Jahre alt, welche beide mit Fertigung und Appretierung verschiedener Familienwäsche sich ernährten, wodurch denn auch mein eigener Wäschevorrat ebenso vorteilhaft erweitert und verbessert wurde. Die 7/4 Jahre, die ich bei und mit ihnen lebte, waren auch meine beste und angenehmste Zeit, sowohl in den Chor als häuslichen Verhältnissen. Da an der Wohnstube zwei separierte Kammern angebaut waren und mir die eine davon gänzlich eingeräumt wurde, konnte ich um so bequemer und ungestörter den letzten Rest meiner Schul- und Vorbereitungszeit noch recht fleißig benutzen. Über dies wurde ich von beiden gutmütig, wie Sohn und Bruder, behandelt. Ich as mit ihnen, was sie hatten; sehr einfach zwar, aber reinlich und ordentlich zugerichtet um einen sehr billigen wöchentlichen Beitrag.

Meine in den Chorbüchern verzeichneten Einnahmen in diesem Zeitraum betrugen 368 Gulden 17 Groschen 6 Pfennig, wodurch im Durchschnitt aufs Jahr 119 Gulden 12 Groschen 10 Pfennig oder 104 Taler 4 Groschen 7 Pfennig kamen, wozu man etwa jährlich noch 5 Taler an andern Accidenzien von Wagenleichen, Bäckergelde und Douceurs bei Unsingen rechnen konnte. Man wird erwarten, daß, da ich vorher beim Genusse des kleinen und halben Geldes in Wenigen treu und als guten Wirt mich gezeigt hatte, ich nunmehr, da ich im ganzen Gelde über vieles gesetzt war, es noch weit mehr gewesen sein und ein hübsches Sümmchen zusammen gespart haben werde. Dies war auch allerdings mein Wollen, Wünschen und Hoffen. Wie ernstslich ichs damit gemeint habe, beweist ein noch vorhandenes Pappkästchen, welches ich damals zu dieser Absicht fertigte, in dessen neun Schubfächerchen die ein gehenden Summen sortenweise von den Spezies-Talern an bis zu den Pfennigen separiert zu liegen kommen sollten. Daß aber diesmal der gute nicht auch zugleich der wohlhabende Haushalter wurde, damit ging es ganz natürlich zu.

Als Oberer mußte ich erstens mich nun auch ordentlicher in der Kleidung halten, und dieses zu vernachlässigen, hatte ich zuviel Ambition. Da ich vorher an die 20 Taler zu Uhr und Schnallen gesammelt hatte, so war zweitens eine Zeit lang nichts an Kleidung und Wäsche gewendet worden, daher ich itzt mancherlei neu anschaffen mußte. Mein auf einmal mit dem Ende des Jahres 1769 schnell beginnendes Wachstum verursachte mir drittens ebenfalls einen vermehrten Aufwand, da ich nicht nur ist ungleich mehr bedurfte als bisher, sondern auch binnen Jahresfrist zweimal mich fast ganz neu kleiden mußte. Ich hatte zur Einweihungsfeier der Unnenkirche am 8. Oktober 1769 mir ein vollständiges Kleid nebst anderm Zubehör geschafft, welches ich bis Michaelis folgenden Jahres so entwachsen hatte, daß ich es durchaus nicht mehr tragen konnte und wieder erneuern mußte. Hierzu kam, daß ich viertens zur Beziehung der Akademie, wo die schwarze Uniform nicht mehr Vorschrift war, verschiedene bunte Kleidungsstücke anzuschaffen, auch mit vollständiger Wäsche auf vier Jahre mich zu versorgen genötigt wurde. Es gehörte schon viel Wirtschaftlichkeit dazu, allen diesen Bedürfnissen mit ohngefähr jährlich 100 Talern Genüge zu tun, aber fünftens die seit der mißlungenen Ernte 1771 ausgebrochene Teuerung und Hungersnot fraß auch den letzten gesparten Taler mit auf. Diele Kurrendenkunden dankten ab, Fast alle Ansingen hörten auf und ich erhielt manchen Sonnabend weniger Chorgeld als ich die Woche lang für Brot und Kostgeld bezahlt hatte.

Fast alle meine Kameraden, auch manche der Untern, fanden Gelegenheit, eine oder die andere Stunde zu geben, sollte es auch nur im A B C oder Buchstabierenlernen sein, wobei der kleine Verdienst kaum die Schuhsohlen bezahlte. Ich allein hatte kein Glück, nebenbei noch etwas zu verdienen, obschon ich einheimisch war und selbst meine beiden Lehrer sich Mühe gaben, mir zu einer wissenschaftlichen Lehrstunde zu verhelfen. Zweimal zwar schien das Glück auch meiner sich huldreich zu erinnern. Ein beweibter Töpfergeselle nämlich verlangte Unterricht im Briefschreiben, war aber in

der Fähigkeit des Schreibens selbst noch weit zurück.


  1. Wohl Fürstenwalde.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 182. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/187&oldid=- (Version vom 23.9.2024)