frische Milch verabreicht. Viertelsmeister in Mantel und Degen trugen Kuchen und Schalen mit frischem Obst auf; auch westfälischer Schinken, Knackwürste, holländischer Käse mit Brot und Semmel waren zu haben. Für die Kavaliere, die es schon damals nicht gern ohne ein Spielchen taten, lagen Würfel und Karten auf, und zwar hatte man angeschafft 16 Stück französische Karten, 10 Stück Annaberger Pikettkarten und auch 4 Stück von der aus Italien stanımenden ältesten Karte, der Trappolierfarte (von trappolare=fangen, haschen), die also damals auch noch gespielt wurde.
Draußen auf dem Plaze waren allerlei Krambuden, sowie Zinnbuden der Kannegießer, in denen um Zinnzeug gewürfelt wurde, und Raßlerbuden mit Glücksspielen aufgestellt. Die Pickelheringe in Narrenkleidern und falschen Bärten trieben allerhand Kurzweil, die Böttcherjungen sprangen vor dem Kurfürstlichen Frauenzimmerzelte unter unaufhörlichem Schalmeien- und Saiten spiel durch die Reifen. Auch vier Jenaer Studenten hatten sich eingefunden und machten Musik; sie wollten sich andern Tags vom Bürgermeister eine Belohnung erbitten, wurden aber als „Vaganten“ nicht in die Stadt eingelassen und schickten deshalb ein schriftliches Gesuch herein, worauf ihnen 1 Taler bewilligt ward.
Bei weitem das Hauptvergnügen waren die Wettspiele, zu denen zehn Spielleute, die man von Dörfern aus der Großenhainer und Königsbrücker Gegend hatte kommen lassen, auf Schalmeien, Sackpfeifen und Geigen musizierten. Nicht weit von der Vogelstange hatte man eine 36 Ellen hohe Kletterstange errichtet und sie mit Seife und Öl bestrichen; in der Mitte war als Kletterpreis ein halber Taler, weiter hinauf ein ganzer und oben anderthalber angehängt und an der Spitze in einem Maibäumchen ein lebender Haushahn, sowie eine Trommel, eine Schalmei, eine Bierkanne und ein Knaul Bindfaden befestigt. Als besonders geschickt zu diesem "Hahnesteigen" galten von alters her die Loschwitzer. Es fand sich aber an diesem Tage keiner, der den Hahnebaum zu ersteigen vermochte: „sind sie doch allewege herunter gerutschet und mit Verlachung der Menge abgezogen“.
Noch luftiger für die Zuschauer war das „Wasserstechen“ und das „Gänserennen". Dazu waren aus den unter der Gerichtsbarkeit des Rats stehenden Dörfern Plauen, Leubnitz, Strehlen, Striesen, Blasewitz, Reick, Tolkewitz, Loschwitz u. a. zwölf Bauern befohlen, die mit guten Pferden, gestiefelt, in saubern Bauerkleidern mit breiten Krausen und Hahnefederbüschen zu erscheinen hatten. Es waren Pfähle errichtet, zwischen denen an eineni Seile eine mit Wasser gefüllte, am Boden mit einem Ringe versehene Wanne hing. Wer beim Durch reiten unter der Wanne mit der Rennstange durch den Ring traf, erhielt einen Preis, während der Fehlstoß, der die Wanne traf, seinen Urheber mit einem nassen Bade belohnte. Beim Gänserennen kam es darauf an, einer an dem gespannten Seile mit den Beinen angebundenen lebenden Gans beim Durchreiten den Kopf, der durch Einseifen schlüpfrig gemacht war, abzureißen. Der Reiter, dem dies mißglückte, gelangte leicht aus dem Sattel und auf den Erdboden. Die Aufsicht bei diesen derben Spielen führten einige Dorfrichter, die auch die Treffer festzustellen, die Wasserfässer zu füllen und die Gänse aufzuhängen hatten. Daneben veranstalteten zehn Bauerknechte und ebenso zehn Mägde Wettlaufen und führten zusammen Tänze auf. – Bei den früheren Vogelschießen bis zum Jahre 1630 waren noch andere Spiele üblich gewesen, die man als eine ins Bäuerliche und Scherzhafte übersetzte Nachahmung der ritterlichen Turniere betrachten kann: das Strohharnisch-Stechen, bei dem zwei Bauern in Strohharnischen, die mit schwarzgelber Leinwand überzogen waren, einander vom Pferde zu stechen suchten, und ein Zweikampf, bei dem die Kämpfer auf Wassertonnen, deren oberer Boden durchlöchert war und aus denen eine Stange herausragte, mit einander fochten, bis der eine mit seiner Tonne umfiel und an der Stange hängend, vom Wasser übergossen wurde.
Unter solchen Belustigungen war der Abend heran gekommen, man mußte daher das Schießen mit dem sechsten Rennen abbrechen und ließ nur noch die Gewinste, die an den die Wiese umgebenden Bretterplanken ausgehängt waren, unter die Bauern austeilen. Beim Wasserstechen und Gänserennen erhielt Martin Danun von Plauen den ersten Preis, bestehend aus drei gegerbten Kalbfellen im Werte von je 10 Groschen und zwei von den geköpften Gänsen; andere Gewinste waren ein Paar Schuhe für 21 Groschen, ein Hut mit gleiBender Hutschnur und Hahnenfeder für 18½ Groschen, ein Paar rote Strümpfe für 16 Groschen, ein Dreschflegel, eine Schmermäste und anderes bis herab auf ein ABC-Buch für 1½ Groschen. Der beste Wettläufer war Thomas Leschke von Strehlen, der ein Paar Handschuhe für 6 Groschen erhielt, die beste Läuferin die Barbara Leschkin von Strehlen, wohl seine Schwester, die einen schönen Kittelrock von blauem Barchent und schwarztuchenem Schweif und ein grünes perpetuanes Mieder mit Schnüren im Werte von 2 Gulden 11½ Groschen davontrug, während die Anderen Hemden, Schuhe, Strümpfe, Schnupftücher und dergleichen er hielten. Auch die „kurzweilige Rätin“ d. h. Hofnärrin der Kurfürstin hatte mitgelaufen und wollte den Kittel haben; sie richtete nachher ein Schreiben an den Rat und bat um eine Jahrmarkts Diskretion zu einem Ehrenkleide, worauf ihr mit Rücksicht auf die gnädigste Herrschaft acht Ellen schöner Doppeltaffet zu einem Rocke verehrt wurden.
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/133&oldid=- (Version vom 30.9.2024)