Zum Inhalt springen

Seite:Dresdner Geschichtsblätter Vierter Band.pdf/130

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.


XVI. Jahrgang          1907          Nr. 1.


Von diesen Blättern erscheinen jährlich 4 Nummern im Umfange von 1½ bis 3 Bogen. Bestellpreis für den Jahrgang
3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.



Das Dresdner Vogelschießen im Jahre 1660.
Von Dr. Otto Richter.

Ein Volksfest, das auf ein so hohes Alter zurückblickt wie das Dresdner Vogelschießen, ist ein wesentliches Stück des heimischen Volkslebens und daher der geschichtlichen Betrachtung wohl wert. Nur müssen die Nachrichten darüber eingehend genug sein, um daraus Züge, die für den Charakter und die Sitte des Volkes bezeichnend sind, entnehmen zu können. Solche genaue Nachrichten finden sich über unser Dresdner Volksfest namentlich aus dem Jahre 1660. Der Rat hat damals nachträglich eine Beschreibung des Festes[1] aufsetzen lassen, der auch eine bildliche Darstellung der Vogelwiese, ein Kupferstich von D. Conrat[2], beigefügt ist. Aus dieser Beschreibung und den schriftlichen Anweisungen, die den mit den Veranstaltungen betrauten Ratsherren und Beamten erteilt worden waren[3], sowie aus der Abrechnung über die verausgabten Gelder in der städtischen Kämmereirechnung läßt sich ein ziemlich anschauliches Bild des Festes gewinnen.

Ein jährliches Vogelschießen haben die Bürger, die sich zur Abhaltung regelmäßiger Schießübungen zusammengetan hatten, wahrscheinlich von Anfang ihrer Vereinigung an veranstaltet, wobei der Rat sie in ihren für die Verteidigung der Stadt so wichtigen Bestrebungen durch Spendung von Bier und Schießprämien ermunterte. In welchem Jahre diese Schützengesellschaft entstanden ist, läßt sich nicht bestimmen, es spricht aber vieles dafür, daß es zur Zeit der Hussitenkriege geschah, deren bittere Erfahrungen auch einen vollständigen Umbau der Stadtmauern und überhaupt die Verstärkung des städtischen Verteidigungswesens zur Folge hatten. Damit stimmt es zusammen, daß die erste uns bekannte urkundliche Erwähnung eines Vogelschießens aus dem Jahre 1440 stammt.

Ursprünglich fand das Fest im Stadtgraben am Pirnischen Tore, bei der jetzigen Schießgasse, statt, wo die Schützen auch ihre wöchentlichen Schießübungen abhielten, und zwar regelmäßig zu Pfingsten. Wohl wegen der Beschränktheit des Platzes wurde es von dort im Jahre 1577 nach der Wiese bei den Ziegelscheunen, zwischen Ziegelgasse und Elbe, verlegt, der nun sogenannten Vogelstangenwiese oder Pfingstwiese. Dort war für eine große Zuschauermenge Platz genug, sodaß das Schießen seitdem mehr und mehr zum Volksfeste werden konnte. Veranstaltet wurde es damals auf Stadtkosten vom Rate, der die Landesherrschaft nebst dem Stadtadel und den hohen Beamten dazu einlud. Wenn nicht ein besonderes Hindernis, wie etwa eine Pestepidemie, vorlag, fand das Fest alljährlich statt, bis ihm 1630 die über unsere Stadt hereinbrechenden Nöte des dreißigjährigen Krieges für lange Zeit ein Ende machten.

Im Jahre 1660 hielt Kurfürst Johann Georg II., bekanntlich ein großer Freund höfischen Prunkes und festlicher Vergnügungen, die Zeit für gekommen, um wieder fröhliche Schützenfeste zu feiern. „Um uns in etwas bei unserer mühsamen Regierung mit unsern nahen Verwandten zu ergötzen“, wie es in seinem Erlasse heißt, gedachte er zu Pfingsten auf seine Kosten ein allgemeines Frei- und Landschießen auf der Elbwiese beim Jägerhofe abzuhalten. Aber die von ihm


  1. Ratsarchiv C. XXIII. 94 i.
  2. Vgl. Dresdner Bilderchronik Teil I, Tafel 11.
  3. C. XXIII. 94 g.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 4 (1905 bis 1908). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1905 bis 1908, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Vierter_Band.pdf/130&oldid=- (Version vom 18.2.2025)