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Seite:Dresdner Geschichtsblätter Dritter Band.pdf/91

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XI. Jahrgang          1902          Nr. 2.


Von diesen Blättern erscheinen jährlich 4 Nummern im Umfange von 1½ bis 3½ Bogen. Bestellpreis für den Jahrgang 3 Mark. Die Vereinsmitglieder erhalten die Blätter unentgeltlich zugesandt.


Napoleon in Dresden 1812 und 1813.
Aus dem Französischen übersetzt und erläutert von Oberlehrer Dr. Friedr. Aster.
I.
Bericht über den Aufenthalt Ihrer Majestäten des Kaisers und der Kaiserin der Franzosen in Dresden im Mai 1812.

In der Nouvelle Revue Rétrospective (16. Jahrgang Nr. 73 und 74 – Juli und August 1900) hat der Vicomte de Grouchy ein anonymes Manuskript der Pariser Nationalbibliothek (papiers de l’Empereur, fonds fr. 6599) abgedruckt, dessen Inhalt aus dem obigen Titel ersichtlich und vielleicht auch für die Dresdner Ortsgeschichte nicht ohne Werth ist. Nach Grouchy sind die Berichte – es handelt sich um zwei zeitlich etwa ein Jahr auseinander liegende Theile – für den Marschall Duroc bestimmt gewesen, und ihr Verfasser wäre in den Kreisen der höheren sächsischen Offiziere oder Beamten zu suchen. Das erstere kommt mir nicht sehr wahrscheinlich vor. Duroc war fast immer in nächster Nähe des Kaisers, brauchte also keinen solchen Bericht. Außerdem fiel er im Gefecht bei Reichenbach am 22. Mai 1813, das Manuskript berichtet aber über Ereignisse bis gegen Ende Juli desselben Jahres. Ob der Verfasser ein Sachse gewesen ist, läßt sich nicht entscheiden. Verschiedene sächsische Personen- und Ortsnamen sind entweder falsch verstanden und in dieser falschen Form aufgeschrieben oder falsch abgeschrieben. Daß aber der Verfasser kein Franzose war, das beweist sicher sein schlechtes Französisch. Das Manuskript selbst läßt keinerlei Schlüsse auf den Verfasser zu, wovon ich Gelegenheit hatte mich durch den Augenschein zu überzeugen. Es zeigt zwei verschiedene, sehr saubere und deutliche Hände. Es ist anzunehmen, daß es eine Abschrift ist. – Ich kann als bekannt voraussetzen, weshalb Napoleon, ehe er zu seinem Heere an der russischen Grenze abreiste, in Dresden längere Zeit verweilte und sich hier feiern ließ, übergehe daher, was Grouchy hierüber bemerkt[1] und gebe im Folgenden gleich die Uebersetzung des Manuskriptes.



Als Se. Majestät der König von Sachsen in Dresden die Nachricht von der Ankunft des erlauchten Herrschers der Franzosen und Königs von Italien, Napoleons I., erhielt, schickte er seinen Oberkammerherrn, Freiherrn von Friesen, und den Generalmajor von Gersdorf, Chef des Königlichen Generalstabes, nach Plauen, um Ihre Majestäten dort zu empfangen[2]. Desgleichen schickte er in drei Abtheilungen verschiedene Hofbeamte, theils nach Plauen, theils nach Chemnitz und Freiberg, wie aus den inliegenden Schriftstücken hervorgeht.

Sonnabend, den 16. Mai 1812. Ihre Majestäten der König und die Königin von Sachsen, die sich am Tage vorher nach Freiberg begeben hatten, trafen nach 11 Uhr Nachts mit Ihren Majestäten dem Kaiser und der Kaiserin hier[3] ein; während man einen Salut von hundert Kanonenschüssen abfeuerte und alle Glocken


  1. Einen Irrthum – wenn es nicht ein Druckfehler ist – begeht Grouchy, indem er die Ankunft des Königs von Preußen auf den 16. Mai ansetzt. Er kam gerade 10 Tage später. Das geht auch aus dem Bericht selber hervor.
  2. Vergl. A. Freih. v. Welck, Napoleons Aufenthalt in Dresden im Mai 1812. (Neues Archiv f. Sächs. Gesch., XX. Bd.)
  3. d. h. in Dresden. – Vergl. Taggesell, Tageb. eines Dresdner Bürgers, S. 56.
Empfohlene Zitierweise:
Dr. Otto Richter (Hrsg.): Dresdner Geschichtsblätter Band 3 (1901 bis 1904). Wilhelm Baensch Dresden, Dresden 1901 bis 1904, Seite 85. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Dresdner_Geschichtsbl%C3%A4tter_Dritter_Band.pdf/91&oldid=- (Version vom 8.10.2024)