Früher erschien:
Unsere Ausgabe soll nicht Geschichtsforschern das Original ersetzen, sondern den grossen Meister und gewaltigen Sprachschöpfer aufs neue zu Denkenden, Empfindenden und Geniessenden sprechen lassen.
Eckharts Prosa gehört zum Schönsten und Gewaltigsten, was in deutscher Sprache geredet und geschrieben worden ist. Sie vereinigt wunderbare Au8drucksfähigkeit für die feinsten und geistigsten Dinge mit der unverbrauchten Jugendkraft und naiven Bildlichkeit einer Zeit, die die sprachliche Form für ihr tiefbewegtes Innenleben erst schaffen muss. Diese köstliche Frische und Originalität auch im neuhochdeutschen Gewande zu bewahren, erscheint mir als die vornehmste Aufgabe des Uebersetzers. Landauer behält nach Möglichkeit die Worte und syntaktischen Eigentümlichkeiten Eckharts bei. Man spürt bei ihm noch, was im Urtext so tief ergreift, das mächtige Ringen der Gedanken mit dem ungefügen Material der Sprache und das leidenschaftliche Pathos des Redners.
Landauer ist, das kann man wohl sagen, tief in das mystische Denken eingedrungen, und um so wertvoller ist seine Spürarbeit, Mystik und Sprachkritik (im Anschluss an Mauthner) miteinander in Verbindung zu bringen.
Oscar Wilde: Drei Essays. Karl Schnabel, Berlin 1904, Seite 150. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Drei_Essays_Oscar_Wilde.pdf/156&oldid=- (Version vom 31.7.2018)