Verschiedene: Die zehnte Muse | |
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Er löst seine Hand und Wange von Wange:
»Und nennst du’s Sünde, dass ich dich umfange,
So liebst du mich nicht und liebst mich nicht!«
Und sieht mit erschrockenen, hilflosen, milden
Augen dem Liebsten ins Angesicht.
Und lächelt in Thränen und regt die bleichen,
Bebenden Lippen und sagt mit weichen
Und schlingt den Arm um den trotzigen Knaben:
»Dass wir das Korn so zerbrochen haben,
Das war eine Sünde! Das sag’ ich dir!«
Gekrönte Liebe.
Ich liebt’, als ich noch zur Prima ging,
– Nicht ganz ohne Furcht und Tadel –
Ein blondes, ein junges, ein frisches Ding,
Die war vom ältesten Adel.
Die Krone mit sieben Zacken,
Und wenn sie mich lachend angeblickt,
Dann schoss mir das Blut in die Backen.
Und sass ich gebeugt auf den Sophokles
Mir war’s, als ob ich die kleine Komtess
In’s Ohr mir lachen höre.
Und als ich, ein Studio, trug auf der Brust
Dreifarbig das Band der Rhenanen,
Ein Mädel ganz ohne Ahnen.
Der Vater ein Schuster, die Mutter tot,
Der Bruder Hausknecht in Barmen – – – –
Ich aber, wenn sie die Lippen mir bot,
Sie hat mir ein Cerevis gestickt
Von ihren armseligen Groschen,
Und wer mir das Mützchen schief angeblickt,
Dem hab’ ich den Schädel verdroschen.
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/47&oldid=- (Version vom 31.7.2018)