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Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/214

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Verschiedene: Die zehnte Muse

Das Fest im Kuhstall.
(1822)

Seht mir doch die blanken Rinder,
Wie sie steh’n in vollem Glanz!
Reich geschmückt wie Christtags-Kinder,
Kopf und Nacken ziert der Kranz.

5
Herren geh’n herum und Frauen,

Fein von Sitten und Gewand;
Und um Ohr und Hörner krauen
Sie mit schmeichelnd weicher Hand.

Sonst von Rohen nur misshandelt

10
Und geplagt von Magd und Knecht:

Hat die Welt sich so verwandelt?
Ward der Mensch mit eins gerecht? –

Armes Volk! du hebst den Nacken,
Und es wächst dir neu der Mut?

15
Morgen wird man neu dich placken,

Heut ist man zum Scherz dir gut.

Wenn nicht eigne Lust sie triebe,
Deine lockte sie wohl nie;
Armes Volk! Nicht deine Liebe,

20
Deine Milch verlangen sie.


Franz Grillparzer.




Der Besuch der Gräfin.

Behüte! so draussen wie drinnen welch’ Leben!
     Im Pfarrhof flog Teller und Tuch!
Die gnädige Gräfin liess melden soeben,
     Sie komme zum Mittagsbesuch.

5
Frau Pfarrer hielt Rat mit der Tochter Luise;

     Galt’s doch, an so wichtigem Tag
Zu zeigen an Speisen, Gedeck und Service,
     Was Küche und Keller vermag.

Abstäubte den Saal man, die Prachtkonterfeie

10
     Der Vorfahr’n, altfränkisch und steif:

Hochwürd’ge mit Bibeln, Matronen voll Weihe,
     Geschnürten Korsetts und im Reif.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 208. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/214&oldid=- (Version vom 31.7.2018)