Zum Inhalt springen

Seite:Die zehnte Muse (Maximilian Bern).djvu/197

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die zehnte Muse


Ein Echo von verwehten Stürmen,
Ein Feuerzorn reisst mich davon –

35
O Gott, ich möcht' noch einmal türmen

Den Ossa auf den Pelion!
Möcht' ein von Hass und Neid Zerraufter,
Bei kargem Brot und schlechtem Wein
Ein ganz Verfluchter, Ungekaufter

40
In einem kalten Stübchen sein!
Rud. Presber.




Consilium Medicum.
(1843.)

Frau Poesie war krank,
Verwitwet schon seit manchem Jahr,
Wuchs scheinbar stündlich die Gefahr.
Die Stirne heiss,

5
Die Zunge weiss,

Die Haut bald Frost und bald in Schweiss;
Im ganzen Leib ein schmerzlich Jucken,
Von Krämpfen alle Nerven zucken,
Obschon noch rüstig und nicht alt,

10
Schien nah des Todes Nachtgewalt.


Doktores kamen von allen Seiten,
Die erst sich begrüssen und dann bestreiten;
Hippokratisch, homöopathisch,
Allopathisch, hydropathisch,

15
Antipathisch,

Philosophisch gebrüstet,
Historisch gerüstet,
Dogmatisch, kritisch,
Klassisch, britisch;

20
Schreiben Rezepte in langen Zeilen.

Umsonst, – die Kranke war nicht zu heilen!

Da kam ein Bader vom Land herein,
Besieht die Kranke beim Tagesschein,
Erforscht den Puls, die Zunge auch,

25
Befühlt die Weichen und den Bauch;

Zuletzt hebt er mit Lachen an:
»Die Wissenschaft hier wenig kann,
Der guten Dame fehlt ein Mann!«


Franz Grillparzer.



Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die zehnte Muse. Otto Elsner, Berlin 1904, Seite 191. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_zehnte_Muse_(Maximilian_Bern).djvu/197&oldid=- (Version vom 31.7.2018)