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Seite:Die geschichtliche Entwicklung des Thierschutzes.pdf/23

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So viel die heutigen Verhältnisse auch noch zu wünschen übriglassen, so sind sie doch nicht so traurig, dass man obige Fragen ohne Weiteres verneinen müsste. So lange die Welt steht, ist es auch in den bestverwalteten Staaten nicht möglich gewesen, alles Elend fernzuhalten und alle Noth zu beseitigen. Und es wird auch in Zukunft niemals gelingen, alle menschliche Trübsal aus der Welt zu schaffen.

Sollen wir aber, weil wir ausser Stande sind, allen Menschen zu helfen, den Thierschutz aufgeben? Wir meinen, man kann das Eine thun und braucht das Andere deshalb nicht zu lassen. Ein anderer Einwurf lautet: „Wozu noch besondere Thierschutz-Vereine, die Thiere sind ja schon durch das Strafgesetz geschützt.“

Allerdings steht im Deutschen Strafgesetzbuch ein Paragraph, welcher die Thierquälerei verhindern soll, der aber entschieden zu wenig umfassend ist und der übrigens sowohl gegenüber der früheren preussischen, als auch gegen die ältere sächsische Gesetzgebung äusserst mild formulirt worden ist. Die betreffende Gesetzesstelle, die sich im § 360, Ziffer 13 befindet, lautet: „Mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft wird bestraft, wer öffentlich oder in Aergerniss erregender Weise Thiere boshaft quält oder roh misshandelt.“

Es können also nach dem Gesetze nicht bestraft werden: Thierquälereien, die nicht öffentlich begangen werden, an denen Niemand einen Anstoss nimmt, ferner Thiermisshandlungen, die aus Fahrlässigkeit, aus Scherz oder zur Befriedigung einer Neugier geschehen; auch gehen leider immer noch solche Leute straffrei aus, die ihren Thieren zu grosse Anstrengungen zumuthen, sie nicht hinreichend füttern, oder sie aus Nachlässigkeit ganz verhungern oder verdursten lassen u. s. w.

Dazu kommt, dass noch täglich aus Unverstand massenhafte Thierquälereien vorkommen, ohne dass Diejenigen, die sie verschul- den, eine Ahnung davon haben; man denke nur an die vielfachen Quälereien, die unsere Jugend an Schmetterlingen, Insecten, Fröschen u. s. w. begeht.

Hier gilt es also eine gewaltige Lücke auszufüllen, aufklärend und belehrend, mahnend und warnend einzuwirken.

Gewiss wird jeder fühlende Mensch beim Anblicke einer Thierqnälerei – mag solche nun absichtlich oder unabsichtlich geschehen – auf Abstellung dringen und es ist allerdings zuzugeben, dass man Thierschützer sein kann, ohne einem Thierschutz-Vereine anzugehören

Empfohlene Zitierweise:
Gustav Schaefer: Die geschichtliche Entwickelung des Thierschutzes. Verlag des Vereins zum Schutze der Thiere, Dresden 1889, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_geschichtliche_Entwicklung_des_Thierschutzes.pdf/23&oldid=- (Version vom 5.9.2024)