Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin | |
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Moretto bewährt sich zwar stets als ein höherer Künstler, seine Auffassung und Zeichnung ist immer edler und eleganter, als die seines hausbackenen Schülers, allein diese nicht für jedes Auge sichtbaren geistigen Vorzüge, die ihn von Moroni unterscheiden, reichen doch nicht immer aus, die bessern Werke des letztern von den schwächern des erstern zu unterscheiden.
In solchen Fällen kann bei der Bestimmung der Bilder nur die genaue und sichere Kenntniß der Form, sowohl der Hand als des Ohres, welche bei beiden Meistern sehr verschieden sind, aus der Verlegenheit helfen.
Moroni hat erst in unserm Jahrhundert jene europäische Berühmtheit erlangt, die er als Porträtmaler verdient. Bei seinen Lebzeiten war er wohl in seinem engeren Vaterlande, namentlich im Bergamaskischen, hochgefeiert, aber jenseits der Grenzen der venezianischen Republik kaum bekannt. Fast alle seine Werke befanden sich noch zu Anfang unsers Jahrhunderts in Bergamo und Umgegend, und die wenigen Porträts, die in den frühern Jahrhunderten über die Alpen kamen, wurden dem Publikum stets unter dem Namen Tizian’s oder irgend eines andern Meisters vorgestellt. So z. B. der s. g. Anatom A. Vesalius (2. Saal, No. 24 der Wiener Pinakothek) und das andere männliche Porträt (No. 34) daselbst. Beide Bilder gehörten der Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm zu Brüssel an und galten dort, das erstere als ein Werk Tizian’s, für das es noch immer gilt, das andere für eine Arbeit des Johann von Calcar.
Zu den vorzüglichsten Bildnissen Moroni’s gehören aber drei der Londoner Nationalgalerie,[1] der „Gelehrte“ der Uffiziengalerie, einige der Communalsammlung von Bergamo und drei oder vier andere im Privatbesitze daselbst. Seine
- ↑ Wie manchmal selbst ein sehr geübtes Auge Porträts des Moroni mit denen des Moretto verwechseln kann, beweist schlagend das Beispiel des verstorbenen O. Mündler, welcher in seinen „Beiträgen zu Jacob
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/70&oldid=- (Version vom 31.7.2018)