Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin | |
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jedoch, das Hellblau des Tuches auf den Schultern Pan’s und zumal das zierliche feine Bändchen, womit es auf der Brust zugeknüpft ist, endlich die Wahl des Gegenstandes selbst und die geistreiche, naive Auffassung desselben, dies Alles spricht in meinen Augen mehr für Lotto als für Palma. Leider hat das kostbare Bildchen durch Uebermalung und Verputzung an mehreren Stellen sehr gelitten.
Von L. Lotto gehen wir nun über zu seinem Landsmann, dem Giorgio Barbarelli, Giorgione genannt. – Daß das ihm von Herrn Dr. Marggraff zugedachte Bildniß im Saale 9 nicht dem Giorgione, sondern entweder dem Palma vecchio selbst, wie einige Kunstkritiker wollen, oder wenigstens dessen Schüler, Giovanni Cariani, wie mir scheint, angehöre, haben wir bereits gesehen. Es bleibt mir darum nur noch übrig, das andere, vom Kataloge ebenfalls dem Giorgione zugeschriebene Gemälde näher zu besprechen. Dieß Bild hängt im Saale 7, unter Nummer 470, und wurde, wie schon bemerkt, früher dem Tizian gegeben, in München auf Giorgione umgetauft und endlich von den Herren Cr. u. Cav. dem Giovan Antonio da Pordenone zugeschrieben. Der Typus dieses schönen Weibes ist ungefähr derselbe, dem wir in gar manchem Bilde aus der Giorgionesken Epoche Tizian’s begegnen. Der violette Localton, den wir z. B. auch in der s. g. Flora der Uffizien zu Florenz (626) finden und welcher Tizian durchaus eigenthümlich ist, ist in diesem Bilde noch sichtbar. Charakteristisch für Tizian ist noch das braungelbliche Tuch, das auf den Busen des Weibes herabfällt, sowie die Form der Hand.
Aus den angeführten Gründen also, die negativen abgerechnet, die es mir verwehren, diese allegorische Figur sei es dem Giorgione sei es dem Gio. Antonio da Pordenone, oder irgend einem andern Maler der venezianischen Schule aus jener Zeit zuzuerkennen, zähle auch ich diese Sibylle der Münchner Galerie zu den Jugendwerken
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/60&oldid=- (Version vom 31.7.2018)