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Seite:Die Werke italienischer Meister (Morelli).pdf/39

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Oderzo), Zerman (bei Treviso) und Vicenza. Alle diese größern Kirchenbilder verrathen die Hand eines schon fertigen Meisters und gehören ungefähr in die Jahre 1515 bis 1525. Lorenzo Lotto dagegen war schon frühe von 1500 bis 1506 in seiner Trevisanischen Heimath thätig und erhielt bereits 1506 eine Bestellung von den Dominikanern von Recanati, ja 1509 ward ihm der rühmliche Auftrag, in den Zimmern des Vaticans zu malen. Nach dem eben Gesagten scheint es mir nun wenigstens sehr zweifelhaft zu sein, daß Palma älter als Lotto und Tizian gewesen sei, – Ist es ferner ausgemacht, wie die Herren Crowe und Cavalcaselle behaupten, daß Pordenone, Pellegrino und Morto da Feltre ihren Stil von Palma entlehnt haben? Was den Morto betrifft, so gebe ich denselben gerne preis, da er mir zu wenig bekannt ist; Pordenone aber, in seinen jüngern Jahren, wie z. B. in seiner schönen Altartafel von Sussigana und in den Fresken der Schloßkapelle von S. Salvatore, verräth allerdings Einflüsse von Giorgione und namentlich vom giorgionesirenden Tizian, dessen Fresken in Padua vom Jahre 1510–11 Giovan Antonio fleißig studirt zu haben scheint, aber – von Palma auch nicht eine Spur, wenigstens meinem Dafürhalten nach.

Was nun den Pellegrino da S. Daniele anbelangt, so sehe ich in seinem Bilde von Cividale vom Jahre 1528 wohl den Nachahmer, jedoch nicht den originalen Schüler des Palma, und man bedenke überdieß, daß jenes Werk auch vom Grafen Maniago als das beste des Pellegrino angerühmt wird.[1]


  1. Da ich mir erlaubt habe, in Gegensatze zu den neuesten Schriftstellern, diesen friaulischen Maler als einen untergeordneten Künstler hinzustellen, so sehe ich mich verpflichtet, diese meine Ansicht durch Gründe zu erhärten.
    Vasari selbst war nie im Friaul, es waren also die Werke des Pellegrino ihm völlig unbekannt, er mußte sich somit auf seinen Berichterstatter, den Maler Giovan Battista Grassi von Udine, blindlings verlassen. [21] Dieser Grassi nun sah sich, wie das, zumal in jenen Zeiten, üblich war, seinen Landsmann mit der Brille der Municipal-Eitelkeit und -Beschränktheit an und machte aus einem Manne von gewöhnlichem Schnitt und Maaß einen Riesen. Er stellte dem Vasari seinen Martino da Udine als einen Schüler des Giovanni Bellini vor und fügte hinzu, daß der Lehrer, erstaunt über die unglaublichen Fortschritte seines Schülers Martino, denselben Pellegrino, d. h. den Seltenen, Außerordentlichen, umgetauft habe. Nun nehmen aber weder der Anonymus des Morelli, noch im folgenden Jahrhundert Carlo Ridolfi von diesem Pellegrino irgendwelche Notiz. Da kam endlich der Abate Lanzi, dem später der Friaulaner Graf Maniago folgte und nahm die Sage des Vasari, d. h. des Grassi, wieder auf und suchte dieselbe zur Geltung zu bringen. In neuester Zeit endlich trugen der Hamburger Harzen und nach ihm Passavant, das Ihrige dazu bei, den Nimbus des Pellegrino neu zu vergolden, indem sie ihm die schönen Stiche, PP bezeichnet, zuschrieben.
    Nach meinen eigenen Studien und nach den von Doctor Joppi aus Udine mir gütigst mitgetheilten Documenten würde die Biographie dieses Malers beiläufig sich so herausstellen: Battista, der Vater des Pellegrino, war ein Dalmatiner und schon 1468 in Udine als Maler ansäßig; 1470 wohnte er im Flecken S. Daniele, unweit Udine, woselbst er in einer Kirche hätte malen sollen. Im Jahre 1487 fungirte sein Sohn Martino oder Pellegrino als Zeuge in Udine, woraus man den Schluß zu ziehen berechtigt ist, daß derselbe zwischen 1460 und 1470 geboren sei. Im Jahre 1491 wird er in einem öffentlichen Vertrage Maestro Martino genannt. Diesem Vertrage zufolge war er beauftragt in der Kirche von Villanova (bei S. Daniele) Fresken zu malen, von denen jetzt nichts mehr zu sehen ist. In einem andern Contracte vom Jahr 1494, 5. April, über das Bild von Osopo (das noch zu sehen ist), wird derselbe maestro Martino, dicto Pellegrino di Udine genannt. Nun bedeutet in der italienischen Sprache das Wort pellegrino sowohl der Fremde als auch der Pilger, und die Poeten nennen pellegrino ein Ding, welches außergewöhnlich schön und selten ist. Wer nun das eben von mir angeführte Bild in Osopo betrachtet, dem wird wahrlich nicht einfallen können, daß das Wort pellegrino, auf Martino da Udine angewandt, im letztern Sinne zu verstehen sei, sondern er wird wahrscheinlich meiner Meinung beipflichten, daß Martino auch Pellegrino genannt wurde, weil man ihn eben in Udine als einen Fremden betrachtete – ebenso wie Jacopo de’ Barbari in Nürnberg Walch, d. h. der Wälsche oder Fremde, genannt [22] ward. – Dieses Gemälde von Osopo muß er aber einige Jahre nach dem Contracte ausgeführt haben, denn die Composition desselben erinnert so sehr an das Bild des Bartolommeo Montagna vom Jahr 1499 (gegenwärtig in der Breragalerie zu Mailand), daß wir als höchst wahrscheinlich annehmen müssen, Pellegrino habe die Zeichnung zum Bilde des Montagna für sein eigenes benuzt, da wahrlich nicht angenommen werden kann, daß ein so großer Künstler, wie B. Montagna war, die Composition eines seiner besten Werke einem ihm gegenüber so untergeordneten Maler entlehnt habe – zumal in dem Bilde von Osopo die Güte der Composition mit der Schwäche der Ausführung auffällig kontrastirt. – Im Jahre 1497–98 bemalte P. einen Theil des Chores der Kirche von S. Antonio in S. Daniele, und im selben Jahre verheirathete er sich daselbst. Sowohl in den Frescomalereien der Kirche von S. Antonio als in seinem Bilde in Osopo erscheint Pellegrino als ein schwacher, noch alterthümlicher Maler, der sehr wahrscheinlich außer seinem Vater Battista keinen andern Lehrer gehabt hatte. Ueber seine 1501 für den Dom von Udine gemalte Altartafel, der „h. Joseph“, ist uns, da dieselbe ganz und gar übermalt ist, jedes Urtheil unmöglich. – Im Jahre 1504 war er in Ferrara und arbeitete für den Herzog Alphons; 1505 und 1506 finden wir ihn bald in Udine bald in S. Daniele, und in diesem Jahre wird er zuerst Pellegrino da[a 1] S. Daniele genannt. Im Herbst d. J. 1506 ging er abermals nach Ferrara, kehrte aber nach einigen Monaten wieder nach Udine zurück, wo er das ganze Jahr 1507 zubrachte. In den Herbstmonaten von 1508, 1509, 1510, 1511 und 1512 besuchte er regelmäßig Ferrara. 1513 malte er, grau in grau, die zwei allegorischen Figuren in der Loggia des Stadthauses von Udine, welche noch zum Theil dort sichtbar sind. Im Jahre 1516 verpflichtete er sich, für S. Daniele eine bemalte Holzstatue der h. Margarethe anzufertigen. 1519–1520 malte er die Orgelflügel für den Dom von Udine, und in diesem Werke gewahrt man zuerst den Einfluß, den Gio. Antonio da Pordenone auf ihn ausgeübt haben muß – namentlich an dem bauschigen Wurfe der Gewänder.
    In den Jahren 1519–1521 malte P. den andern Theil des Chores der Kirche von S. Antonio in S. Daniele, und in dieser seiner besten Arbeit erscheint er, wenigstens meiner Meinung nach, als Nachahmer sowohl des Pordenone als auch des Romanino, dessen herrliche Altartafel 1513 für die Kirche von Santa Giustina zu Padua gemalt, Pellegrino [23] auf seinen Reisen von Udine über Padua nach Ferrara und zurück wahrscheinlich zum öftern studirt haben wird. Im Colorit ist er Romaninisch, in dem bauschigen Faltenwurfe Pordenonisch, in einigen Köpfen erinnert er an Tizian und Palma, deren Bilder in Oderzo oder Zerman und in der Scuola del Santo zu Padua er wahrscheinlich damals auch gesehen haben mag. Im Jahre 1526 geht Pellegrino – wie es scheint, zum ersten Male – nach Venedig, um daselbst „Farben anzukaufen“ für das große Bild, das er sich für die Kirche von Cividale zu malen verpflichtet hatte, und es ist daher ganz natürlich, daß er bei seinem Aufenthalte in der Dogenstadt sich auch die Gemälde des Palma ansah und diesen Meister, dessen herrliche Barbara damals gewiß schon eine große Berühmtheit erlangt hatte, zum Muster nahm, wovon sich Jeder bei Betrachtung des Bildes in Cividale leicht überzeugen wird.
    In den Jahren 1530–1531 gab sich Pellegrino fast ausschließlich mit Holzhandel ab; wir wissen aber, daß er trotz seines Holzhandels noch in den Jahren 1546 und 1547 Bilderbestellungen annahm. Im Monat Dezember 1547 endlich stirbt er, über achtzig Jahre alt.
    Als Harzen auf der großen „Verkündigung“ der venezianischen Pinakothek , welche bezeichnet ist:
    Pelegrinus faciebat, 1519.
    _ _ _ P. _ _ _ P_ _
    die bedeutungsvollen zwei P bemerkte, rief er in seinem erfreuten Herzen Heureka! aus und, ohne nachzusehen, ob Zeichnung und Geist in diesem gemalten Werke der Zeichnung und dem Geiste in den ebenfalls mit zwei p bezeichneten berühmten Kupferstichen entsprächen, schrieb er diese dem Pellegrino da S. Daniele unbedingt zu. Ihm folgte dann blindlings, wie dieß häufig zu gehen pflegt, auch der gelehrte Passavant nach. Wer aber z. B den wundervollen Stich, „Triumph der Selene“ genannt, mit den bekannten Gemälden des Pellegrino zusammenstellt, der wird wahrscheinlich meine Meinung theilen, daß nämlich dieser Stich wohl einem eminenten ferraresischen Künstler angehören mag, mit der Weise des Pellegrino aber durchaus nichts zu schaffen hat. Ursprünglich war dieser Stich mit DD, oder auch bb, was mir bisher nicht gelungen mit Bestimmtheit zu erkennen, bezeichnet, und erst später, als die Platte retouchirt ward, wurden aus diesen bb oder DD zwei P gemacht.
    [24] Daß nun ein so mittelmäßiger Maler, wie Pellegrino offenbar war, im Friaul zu so hoher Ehre kommen konnte, darf niemand wundern, dem die andern Maler aus jenem Ländchen bekannt sind. Alles auf dieser Welt ist ja relativ. Wer aber unter denjenigen meiner jungen Landsleute, die das Glück haben in Italien zu verweilen, Zeit und Lust hätte, in einer schönen Herbstwoche jene herrliche Provinz zu besuchen, der würde, däucht mir, sich leicht überzeugen, daß neben den Malereien eines Leonardo da S. Daniele, Dom. da Tolmezzo, P. Miani (in Cividale) eines Andrea Bellunello, Gianfrancesco da Tolmezzo (Barbeano), Giovanni und Girolamo Martini, eines Luca Monverde, eines Seccante, Calderari, eines Girolami Grassi u. a. m. Pellegrino’s Werke immerhin in hohem Rufe stehen mußten. Die Friulanische Race ist eben keine kunstbegabte, wie z. B. ihre Nachbarn von der Marca di Treviso. Die Friulaner sind ein energisches, kluges und sehr verständiges Völklein; aber wie alle Bergbewohner sind sie hausbackener Natur. Gio. Anton. Pordenone ist freilich auch Friulaner von Geburt, und zwar von seiner Mutter her, sein Vater aber war ein Brescianer (aus Corticelle del Lodesano, unweit Cremona), und seine künstlerische Erziehung hat er gewiß nicht, wie die Herren Crowe und Cavalcaselle ganz willkürlich annehmen, dem sehr unbedeutenden G. Francesco da Tolmezzo zu verdanken, sondern hauptsächlich dem Studium der Werke Giorgione’s und Tizian’s. Wie den Herren Crowe und Cavalcaselle nur in den Sinn kommen konnte, diesen langweiligen Gio. Francesco da Tolmezzo zum Lehrer des Pordenone zu stempeln, ist mir ein Räthsel. Leider liegt das Dorf Barbeano , wo das von ihnen zum Belege ihrer Ansicht angeführte Wandgemälde sicht befindet, so sehr abseits von der großen Straße, daß ich keinem meiner Leser zureden kann, zu seiner Belehrung nach dem entlegenen Dörflein zu wallfahrten. – Ein anderer geborner Friulaner von Geist und Leben ist der frühverstorbene Sebastiano Florigerio von Conegliano, der Tochtermann des Pellegrino da S. Daniele. Er war der Sohn eines Giacomo von Bologna, der sich in Conegliano niedergelassen hatte. Leider ist uns von ihm bloß das geistreiche Altarbild in der Kirche von S. Giorgio zu Udine bekannt. Ich muß jetzt meine geduldigen Leser sehr um Verzeihung bitten, sie so lange Zeit mit Pellegrino da S. Daniele aufgehalten zu haben. Es war mir aber daran gelegen, meine Ansicht über ihn die so ganz und gar von derjenigen der Herren Crowe und Cavalcaselle abweicht, so gut es eben in Worten mir möglich ist, zu begründen. Der Lokalcharakter der friulaner Künstler ist ein sehr [25] trockener und prosaischer, und da ihre bessern Maler das Beste sich von außen her angeeignet haben, konnten sie auf die Entwicklung der venezianischen Kunst gar keinen Einfluß ausüben.

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Empfohlene Zitierweise:
Giovanni Morelli (Pseudonym Ivan Lermolieff): Die Werke italienischer Meister in den Galerien von München, Dresden und Berlin. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig 1880, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Werke_italienischer_Meister_(Morelli).pdf/39&oldid=- (Version vom 31.7.2018)