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Walter Ledig, Ferdinand Ulbricht: Die Sekundär-Eisenbahnen des Königreichs Sachsen |
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geringere als auf den Hauptbahnen. Wenigstens haben die bei den Sächsischen Staatsbahnen hierüber gesammelten statistischen Erfahrungen dies nachgewiesen.
Waren hiernach aber die Voraussetzungen zu einer prinzipiellen Erhöhung der Personengeldsätze für die Sekundärbahnen nicht vorhanden, so konnte nur die Frage entstehen, ob etwa mit Rücksicht auf die Verhältnisse des konkreten Falles bei der einzelnen Sekundärbahn erhöhte Personentarife zu erstellen seien. Dieser Fall wird dann eintreten, wenn nach den obwaltenden Verkehrsumständen für die einzelne Linie eine so geringe Personenfrequenz zu erwarten steht, dass bei Aufrechterhaltung der gewöhnlichen Fahrgeldsätze eine befriedigende Rentabilität – entweder im allgemeinen oder auch nur in Ansehung der Personenbranche – voraussichtlich nicht zu erreichen wäre. Unter dieser Voraussetzung muss die Eisenbahnverwaltung zweifellos als berechtigt angesehen werden, ihr finanzielles Interesse durch Einstellung höherer Einheitssätze auch für den Personenverkehr zu wahren; doch hängt diese Frage weder mit der Konstruktion noch mit der Betriebsweise der einzelnen Bahnen zusammen, sie ist lediglich allgemeinökonomischer Natur und kann unter der angegebenen Voraussetzung auch bei primär betriebenen Linien entstehen, wennschon die hier vorliegenden Verkehrsbedingungen – wenigstens was die grösseren Durchgangslinien betrifft – ein derartiges Vorgehen seltener rechtfertigen mögen, wie bei den Lokalbahnen.
Für die Sächsischen Sekundärbahnen, speziell für die
Schmalspurlinien, kamen zeither derartige Rücksichten nicht
in Betracht, da sämmtliche im Betrieb befindliche Sekundärbahnen
einschliesslich der Schmalspurstrecken von Anfang
an die Vorbedingungen einer genügenden Personenfrequenz
aufwiesen und zwar in einem Umfange, der hinter dem
Durchschnitts-Verkehre der Hauptbahnlinien nicht zurückbleibt.
Im Gegentheil zeichnet sich die Mehrzahl der Sächsischen
Sekundärbahnen – und hierunter in erster Reihe die
Hainsberg-Kipsdorfer und Radebeul-Radeburger Schmalspurlinien –
durch einen besonders entwickelten Personenverkehr
aus, was einestheils auf die landschaftlichen Eigenschaften der
von diesen Linien durchzogenen Gegenden, anderntheils auf die
Nähe grösserer Verkehrsplätze zurückzuführen ist.
Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse wurden für sämmtliche Sächsische Schmalsparbahnen die normalen Personeneinheitssätze angenommen, dieselben beziffern sich hiernach folgendermassen:
pro Person und Kilometer | |||
II. Kl. ₰ |
III. Kl. ₰ |
Militär- personen ₰ | |
bei Tourbillets | 6 | 4 | 1⅓ |
" Tagesbillets | 8 | 5⅓ | – |
für Hundebillets: 1½ pro Kilometer |
Ebenso ist für den Gepäckverkehr der normale Einheitssatz, nämlich
eingerechnet worden.
Die Abweichungen des Sekundärbahnbetriebes auf dem
Gebiete des Personentransportes zeigen sich hauptsächlich
- in dem Wegfall der 1ten und 4ten Wagenklasse, in dem Wegfall besonderer Nichtraucher- und Frauenkoupees, sowie in der thunlichsten Beschränkung der Verausgabung direkter Billets von und nach Stationen der Sekundärbahnen.
Dass dem Publikum bei den Hauptbahnen gerade in der Klassenfrage weitgehende Konzessionen gemacht worden sind, bedarf keiner näheren Begründung. Fast alle Eisenbahnverwaltungen haben die Erfahrung gemacht, dass die bestehenden Abstufungen selbst auf den verkehrsreicheren Linien über das thatsächliche Bedürfniss hinaus gehen, und dass namentlich auf denjenigen Strecken, wo auch die vierte Wagenklasse verkehrt, von einer auch nur annähernden Ausnutzung der oberen Klassen nicht die Rede ist. Die nachtheiligen Folgen, welche hiermit für die Rentabilität der einzelnen Eisenbahnlinien verknüpft sind, liegen auf der Hand und es bedarf nur eines Blickes auf die statistischen Nachweisungen über die Ausnutzung der Transportmittel im Personenverkehre, um sich von dem in dieser Richtung bestehenden Missverhältniss zu überzeugen.
Allerdings sprechen Gründe dafür, dass beim Eisenbahntransporte auf die Bequemlichkeit und das Wohlbefinden des Publikums auch in der hier fraglichen Beziehung mehr Rücksicht genommen werde, als dies bei anderen Transportanstalten – wie z B. dem Omnibus- und Pferdebahntransporte – geschieht und geschehen kann. Doch ist zu beachten, dass diejenigen Rücksichten, die hierbei vorzugsweise in Betracht kommen, bei den Sekundärbahnen – schon infolge der durchschnittlich kürzeren Fahrtdauer und des Wegfalls der Nachtfahrten in weitaus geringerem Masse vorliegen, wie bei den Hauptbahnen. Dies war der Grund, warum bei den Sächsischen Sekundärbahnen – ebenso wie bei den meisten übrigen Deutschen Bahnen dieser Gattung – von Einstellung nicht nur der 1ten Wagenklasse, sondern auch besonderer Frauen- und Nichtraucherkoupees Abstand genommen worden ist.
Ebenso verkehren auf den Sächsischen Sekundärbahnen keine Personenwagen IV. Klasse. Diese Beschränkung erschien thunlich, weil auf keiner der betreffenden Linien regelmässige Arbeitertransporte wie solche für die Einrichtung der vierten Wagenklasse ausschliesslich in Betracht kamen – sich bewegen. Auch würde schon mit Rücksicht auf die geringere Höhe und Bodenfläche der Schmalspurpersonenwagen die Beförderung von Personen ohne Sitzgelegenheit – wie dies das charakteristische Merkmal der IV. Wagenklasse ist – zu vielfachen Unzuträglichkeiten für die Passagiere selbst Anlass geben.
Die Einschränkung der direkten Billetsorten ist mit Rücksicht darauf erfolgt, dass der Billetverkauf auf den Sächsischen Sekundärbahnen – mit Ausnahme. der besonders frequenten Verkehrsstellen, wo der Verkauf in der gewohnten Weise durch das Stationspersonal besorgt wird – von dem Zugführer zu bewirken ist, und schon aus diesem Grunde die thunlichste Vereinfachung des Billetexpedirungsgeschäites unbedingt nothwendig erschien. Auch kamen hierbei räumliche Gründe in Betracht, weil die Billetschränke in den Gepäckwagen der Sekundärbahnzüge untergebracht werden müssen. von wo aus der Billetverkauf besorgt wird.
Aus demselben Grunde sind für mehrfache Relationen die Billets für beide Richtungen nach dem sogenannten Vice-versa-System – mit einander verschmolzen worden. Auch werden in einigen Fällen für den Verkehr zwischen Haltestellen, die annähernd dieselbe Entfernung von einander aufweisen und mithin gleiche Personengeldsätze bedingen, dieselben Billets ausgegeben. Die Billets haben in diesen Fällen beispielsweise folgendes Aeussere:
Walter Ledig, Ferdinand Ulbricht: Die Sekundär-Eisenbahnen des Königreichs Sachsen. Druck von H. S. Hermann, Berlin 1886, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sekund%C3%A4r-Eisenbahnen_des_K%C3%B6nigreichs_Sachsen.pdf/75&oldid=- (Version vom 2.4.2025)