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Seite:Die Sage-Karl Wehrhan-1908.djvu/113

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Hinsichtlich der Anordnung der Sagen in den Sammlungen begegnen wir noch durchaus keiner Einheitlichkeit; fast jedes Werk geht da seine eigenen Wege. Wo das in der Eigentümlichkeit der geographischen Verhältnisse begründet ist, mag dem nichts entgegnet werden; im Sagenwerk eines größeren Landes muß die Anordnung auch nach den politischen Landesteilen oder besser nach den Landschaftsstämmen berücksichtigt werden. Da die politischen Grenzen mit den Stammes- oder Landschaftsgrenzen nicht immer zusammenfallen, so wird die nach den ersteren Grenzen eingeteilte Sammlung nicht den Eigentümlichkeiten gerecht, welche den Landschaften zukommen, sich auch in den Sagen ausprägen und so eine gewisse Einheit erfordern. Dem kommt der hier und da auch ausgeführte Vorschlag Felix Dahns[1] etwas entgegen, der einer Anordnung nach natürlichen Grenzen der Fluß- und Bachgebiete das Wort redet, so daß das Gebiet jeder Abteilung von einer Wasserscheide zur andern geht. Gewiß bilden Wasserscheiden in den meisten Fällen die Landschaftsgrenzen als natürliche Hindernisse; aber auch diese Einteilung ist nur in gewissen Beschränkungen zweckmäßig. Eine konsequente Durchführung würde die einzelnen Abteilungen so zahlreich machen, daß Zusammengehöriges auseinandergerissen würde; eine jede Wasserscheide ist noch keine Landschaftsscheide. Am besten ist noch immer eine Anordnung der Sagen nach dem sachlichen Inhalt. Die Brüder Grimm sprechen sich allerdings in der Vorrede zu den deutschen Sagen gegen jede chronologische und sachliche Anordnung aus; sie wollen keine Einteilung in Zwerg-, Riesen-, ätiologische und andere Sagen, weil in fast jeder Sage die verschiedensten Elemente lebendig miteinander verwachsen sind, „in jeder mannigfache Verwandtschaften und Berührungen mit andern anschlagen“. Sie ordneten deshalb nach „geheim und seltsam waltenden Übergängen“. Das ist aber schon eine kleine Konzession an die Forderung nach sachlicher Anordnung. Diese ist jedenfalls für den Sammler die schwerste. Er kann wohl öfter in Zweifel kommen, ob eine Sage gerade diesem oder jenem Teile zuzuweisen ist; aber zugegeben, daß in den meisten Sagen verschiedene


  1. Die deutsche Sage (Allgem. Zeitung. 1874. Beil. Nr. 17 ff.) u. Bausteine, gesammelte kleine Schriften. I. Berlin 1879. S. 360 ff.
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Karl Wehrhan: Die Sage. Wilhelm Heims, Leipzig 1908, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Sage-Karl_Wehrhan-1908.djvu/113&oldid=- (Version vom 31.7.2018)