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Seite:Die Kirche und Die Juden.djvu/60

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die Ausbeutung der Armut in diesen Gemeinden ist beseitigt. Möchte es den Einsichtigeren unter den Juden eben so glücklich gelingen, durch die Erziehung der Jugend im Geiste der Grundsätze der jüdischen Sittenlehre den Schacher- und Wuchergeist aus dem Judentum auszurotten, und dadurch eine Quelle zu verschließen, aus der über kurz oder lang weitere Judenverfolgungen entspringen würden. Möchten dazu insbesondere auch jene Vereine recht viel beitragen, welche schon seit geraumer Zeit unter den Juden gegründet sind und darauf hinwirken, teilweise mit sehr gutem Erfolge, die Juden dem Handwerke zuzuführen!

Zur Erreichung dieses schönen Zieles, zur Verschließung dieser unheilvollen Quelle wird auch die Messiasidee beitragen, wie sie sich in der Judenschaft der Gegenwart ausgebildet zu haben scheint.

In der „israelitischen Glaubens- und Pflichtenlehre“, wie sie gegenwärtig der israelitischen Jugend vorgetragen wird, ist selbstverständlich auch von dem göttlichen Reiche die Rede, welches der Messias, der Sprößling aus dem Hause Davids, auf der Erde stiften wird, wie die Propheten es geweissagt haben. Dieses Messiasreich wird als die Zeit bezeichnet, in der alle Völker der Erde ein einziges großes Reich bilden und einmütig den Allvater verehren, durch Bruderliebe, Gottesfurcht und Tugend sich auszeichnen werden. Es wird auch gefragt, was der Messias für Israel ganz besonders thun werde, und darauf geantwortet: „Er wird Israel in einen neuen Bund mit dem Herrn einführen und durch Läuterung der Herzen Vergebung der Sünden verschaffen bei Gott dem Herrn.“ O Israel! Wie groß wäre dein Glück, wenn deine Ahnen vor 1800 Jahren schon diesen Glauben und diese Hoffnung dem Messias entgegengebracht hätten! Dann hätten sie Jesum von Nazareth, der gekommen war, ihre Herzen zu läutern und ihnen Vergebung der Sünden zu bringen, nicht ans Kreuz geschlagen! Dann wärest du, o Israel, der Erstgeborene in der Gottesfamilie des Neuen Bundes, dein Tempel und deine heilige Stadt lägen nicht in Trümmern, deine Kinder wären nicht unter alle Völker der Erde zerstreut, die verhängnisvolle Binde, die dir schon so viel Unheil gebracht, läge nicht auf deinem Herzen!

Die Schlußfrage in dem VI. Abschnitte der israelitischen Glaubens-und Pflichtenlehre von dem Reiche des Messias lautet: „Wann wird die Zeit des Messias sein?“ Darauf wird die Antwort gegeben: „Diese Zeit ist nur dem Allwissenden bekannt; wir sollen aber harren auf die Güte Gottes und sollen uns bestreben, durch Bruderliebe, Gottesfurcht und Tugend das göttliche Reich schneller herbeizuführen.“[1] O möchten doch alle Israeliten auf der ganzen weiten Erde, jung und alt, groß und klein, Gelehrte und Ungelehrte diese Mahnung recht tief ihren Herzen einprägen und sich auf das eifrigste bestreben, die Ankunft jenes Tages zu beschleunigen, an welchem die Binde von den Herzen der Juden fällt, und sie zur Erkenntnis gelangen, daß auch für sie der Messias bereits gekommen ist und die Kirche als das messianische Weltreich aufgerichtet hat, in welchem auch die Juden,


  1. Israelitische Glaubens- und Pflichtenlehre von E. Mandus, Rektor; Frankfurt a. M., Kauffmann, 1891, S. 33 ff.
Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/60&oldid=- (Version vom 31.7.2018)