Juden nicht mehr angehörten. Es mag sein, daß unter den sogenannten gebildeten Juden die Freimaurerei viele Anhänger zählt, aber so viel ist gewiß, daß auch die strenggläubigen Mitglieder der Synagoge die angeführten Grundsätze bekennen, in denselben ihre Kinder unterrichten lassen und nach denselben handeln. Zum Belege dafür kann ein Beispiel aus meiner eigenen Erfahrung dienen.
Vor einigen Jahren habe ich in der bayerischen Kammer der Abgeordneten über die Verhältnisse im Spessart gesprochen und der Meinung Ausdruck gegeben, es sei der Bevölkerung dieser von der Natur stiefmütterlich bedachten Gegend nicht aufzuhelfen, solange der Viehhandel im Spessart, wie seither, durch die Juden betrieben, und das sogenannte Einstellvieh nicht angeschafft werde. In vielen Spessartgemeinden besteht nämlich heute noch der Gebrauch, daß jüdische Viehhändler dem Bauern ein oder mehrere Stück Rindvieh in den Stall stellen, welches der Bauer gegen Fütterung und Pflege zur Arbeit und zu seinem Nutzen gebrauchen darf; hat die eingestellte Kuh gekalbt oder das Stück Vieh überhaupt einen höheren Wert erlangt, dann kommt der Jude und holt dasselbe, wofür er dem Bauern wieder ein geringeres, minderwertiges Stück Vieh in den Stall stellt. So arbeitet der Bauer für den Juden und kommt nie zu einem ihm als Eigentum zugehörigen Viehstand. Welche Nachteile diese Art des Viehhandels auf das sittliche und wirtschaftliche Leben der Spessartbevölkerung im Gefolge hat, wie dem Bauern Luft und Liebe zur Thätigkeit genommen wird, wie er allen Mut und alles Vertrauen auf sich selbst verliert, liegt wohl auf flacher Hand. Bei jener Gelegenheit erwähnte ich nun auch, wie einmal in einer landwirtschaftlichen Versammlung im Spessart ein Redner erklärte, er wisse ein ganz einfaches Mittel, um der Spessartbevölkerung aufzuhelfen, und dieses Mittel sei die Erlassung eines Gesetzes mit dem einzigen Artikel: „Jeder Handelsjude, der den Spessart betritt, wird sofort erschossen oder am nächsten Eichbaum aufgeknüpft.“ Daraufhin erhielt ich ein schönes Häuflein von Briefen aus Deutschland und Österreich, worin mir die liebenswürdigsten Komplimente an den Kopf geworfen wurden; dagegen haben strenggläubige Juden schon damals nach dem angeführten Grundsatze der jüdischen Sittenlehre gehandelt, und mir gegenüber die Ausbeutung der Armut oder Unerfahrenheit der Bauern durch Juden scharf getadelt. Man erzählte mir, wie gerade in jener Zeit ein Jude aus Bayern mit seiner Familie nach Frankfurt a. M. gezogen war und um einen Platz in der strenggläubigen Synagoge nachsuchte, der ihm jedoch aus dem Grunde verweigert wurde, weil er als Wucherer bekannt war.
Bis jetzt ist im Spessart ein Handelsjude weder aufgehenkt noch erschossen worden, und trotzdem ist es uns gelungen, in einer Anzahl von Spessartgemeinden das Juden- oder Einstellvieh gänzlich auszurotten. Es ist uns das gelungen durch die bäuerlichen Darlehenskassenvereine, in denen besonders der Klerus, dem – Gott sei Dank! – noch allerseits ein großes Vertrauen entgegengebracht wird, eine höchst ersprießliche Thätigkeit entwickeln kann. Durch diese Darlehenskassenvereine haben wir es glücklich so weit gebracht, daß vorerst in einer Anzahl von Gemeinden jeder Bauer sein Vieh im Stalle als Eigentum besitzt,
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 51. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/59&oldid=- (Version vom 31.7.2018)