Deggendorf niedergemetzelt wurden, worauf noch an vielen anderen Orten Judenverfolgungen ausbrachen. Da man auch den Apostolischen Stuhl von dem Vorfalle in Kenntnis setzte, erließ Papst Benedikt XII. am 29. August 1338 an den Herzog Albrecht von Österreich, sowie an den Bischof von Passau die Weisung, es sei eine strenge Untersuchung anzustellen, und im Falle, daß die Juden schuldlos befunden würden, seien die Erfinder und Verbreiter der lügenhaften Anschuldigung nach aller Strenge des Kirchenrechtes zu bestrafen. Die Untersuchung fiel übrigens zu Ungunsten der Juden aus, und die von den Juden verunehrten aber wunderbar erhaltenen heiligen Hostien, – es sind deren 10 -, durften nach den Ablaßbullen der Päpste Innocenz VI., Bonifaz VIII. und besonders Innocenz VIII., der nochmals die Sache genau untersuchen ließ, von den Christen verehrt werden, und werden heute noch zu Deggendorf in der Zeit von dem Vorabende des Festes St. Michael bis zum Vorabende des 4. Oktober öffentlich zur Verehrung ausgesetzt.
Wie sachlich und gewissenhaft die Untersuchung geführt wurde, wenn es sich um eine Anklage handelte, die gegen die Juden wegen eines zu religiösen Zwecken verübten, sogenannten rituellen Mordes handelte, ist aus dem Berichte zu ersehen, der von dem Arzte Tiberinus über die Untersuchung wegen des in Trient ermordeten Knaben Simon an die Regierung in Venedig erstattet wurde. Nach diesem Berichte wurde die Untersuchung von dem Bischofe von Trient angeordnet, der als Richter den Schultheiß Johannes und den Präfekt Jakob de Sporo bestimmte; diese beriefen als Sachverständige die Ärzte und Chirurgen Archangelus Balduin von Trient, Matthias Tiberinus von Brescia und Christian de Fatis von Turlach. Die angeklagten Juden erwählten sich die berühmtesten Rechtskundigen der Universität Padua zu ihren Verteidigern. Was die Art und Weise betrifft, wie die Untersuchung geführt wurde, sagt Tiberinus, die Richter, obgleich vom Morde tief ergriffen, und wohl erkennend den Lug und Trug der Juden, ihre List, ihren Haß gegen die Kirche und die verführerische Macht ihres Goldes, wären doch in ihrem Vorgehen so ernst und mild gewesen, daß, wer die Akten durchlaufe, sie wohl eher allzugroßer Nachsicht und Mildherzigkeit, als der Härte anklagen werde. Trotzdem hat Papst Sixtus eine nochmalige Untersuchung vor dem Apostolischen Stuhle angeordnet und mehrere Kardinäle und Prälaten als Kommissäre zur Prüfung der Prozeßakten ernannt. Und nachdem der Prozeßgang nach reiflicher Prüfung untadelhaft befunden, und die Schuld der Juden mit zweifelloser Gewißheit festgestellt war, hat der Apostolische Stuhl die Verehrung des ermordeten Knaben als eines Märtyrers wohl geduldet, aber streng untersagt, den Mord in Predigten zu erwähnen, um das Volk gegen die Juden überhaupt aufzuhetzen, weil die, welche keine Schuld hätten, auch von der Strafe nicht mitgetroffen werden könnten.[1]
Es dürfte wohl nicht nötig sein, noch weitere Belege für die Wahrheit zu bringen, daß der Papst, und wir dürfen sagen der ganze
- ↑ Görres a. a. O. IV. 2. S. 65.
Friedrich Frank: Die Kirche und die Juden. Manz, Regensburg 1893, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Kirche_und_Die_Juden.djvu/46&oldid=- (Version vom 31.7.2018)