Der Herr: Wie, Madame? Soviel Weisheit bei so wenig Robe? Woher das? Wieso das? Wie will ein Rippenstück sich erdreisten, Gedanken zu haben? Wenn ich nicht wüßte, daß du überhaupt keine Strümpfe anhast, würde ich meinen, sie seien blau.
Die kleine Eva: Wenn ich nicht wüßte, daß Männer überhaupt keinen Verstand haben, würde ich meinen, der deine sei gestern abend in den Busen eines hübschen Mädchens gefallen. Werdet Ihr denn nie begreifen, daß Verstand haben heißt: den Sinn des Lebens innehaben? Und wo wäre das zu finden, als bei dem Weibe in seiner Nacktheit? Weisheit ist Weibsheit! Männer können nichts als kritisieren, und sie wären längst allesamt zu pappenen Hampelhänsen in der Hand des methodischen Irrsinns, genannt Logik, geworden, hätte es die verständige Dame Natur nicht so eingerichtet, daß sie sich zuweilen neben ein nacktes Weib legen müssen. Der Apfel des Verstandes als Nachspeise beim Souper der Liebe, – das steht nun schon ein paar Jahrtausende in dem alten verständigen
Otto Julius Bierbaum: Die Haare der heiligen Fringilla. München: Albert Langen, 1904, Seite 73. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Haare_der_heiligen_Fringilla.djvu/073&oldid=- (Version vom 31.7.2018)