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Seite:Die Gartenlaube (1883) 660.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1883)

ein höchst werthvolles Museum von Manuscripten, darunter der älteste Nibelungen-Codex, Büchern und Kunstschätzen aller Art anzulegen, das er nun nach der Meersburg hatte schaffen lassen, so kann ihm natürlich der Vorschlag seiner Schwägerin, einen jungen gelehrten Dichter zur Ordnung dieser Schätze zu berufen, ganz gelegen. Dieser junge Dichter war Levin Schücking. Die köstliche Zeit, die er in dieser romantisch-poetischen Umgebung in einem Paradiese Deutschlands verlebte, hat er selbst oft warm und farbenreich geschildert, besonders in seinem „Lebensbild der Annette von Droste“.

Wenn man weiß, daß die gastfreie Burg am Bodensee eine Wallfahrtsstätte bevorzugter Geister war, daß Männer wie Uhland, Heinrich von Wessenberg, die Brüder Grimm, Görres, Gustav Schwab, Pfeiffer, Schott, Pertz, Reinh. Köstlin etc., Leute aus dem Rheinland, aus Schwaben, Franken, der Schweiz und Oesterteich dort Stammgäste waren, so kann man sich ein Bild von dem Leben und Treiben auf der Meersburg zusammensetzen, und vor Allem von dem Fleiße im Museum, dessen merkwürdigstes Stück der alte „Meister Sepp von Eppishausen“, wie er sich gern nannte, offenbar selbst gewesen ist.

Schücking schied von der Meersburg im Frühjahre 1842, um zu Ettingen in Franken, der Residenz des Fürsten Wrede, die Studien der Söhne desselben zu leiten. Später begleitete er den Fürsten in seine Sommerresidenz Mondsee in Oesterreich ob der Enns, wo er seinen ersten Roman „Ein Schloß am Meere“ schrieb und die Freiin Louise von Gall kennen lernte, die er im October 1843 als seine Gemahlin heimführte. Auch sie war eine dichterische Natur, nach Geist und Herz ihrem Manne innigst verwandt. Leider starb sie schon im Jahre 1855, und dem trauernden Gatten blieb nur der Trost, ihr mit ihrem eigenen Buche „Frauenleben“ ein dauerndes Denkmal setzen zu können.

Das schriftstellerische Leben Schlücking’s war nur in seinen ersten Ehejahren ein bewegtes, solange noch der Dichter und der Journalist in ihm um den Vorraug stritten. Im Jahre 1844 bewog ihn die Einladung der Redaction der „Allgemeinen Zeitung“ zur Uebersiedelung nach Augsburg. Hier nahm seine Pflichtarbeit ihn nicht so in Anspruch, daß er nicht noch Muße gefunden hätte zur Schöpfung eines neuen Romans „Die Ritterbürtigen“. In diesem Werke offenbart sich bereits eine innere Wandelung durch die Einflüsse des äußeren Lebens: die realistische Auffassung gewinnt über die ehedem vorherrschend romantische Richtung den Sieg. Der Klang seines Namens wurde in immer weiteren Wellenkreisen über Dentschland getragen. Daher geschah es, daß er nach einer Badecur in Ostende und während einer Rheinreise im Sommer 1845 von der damals neu organisirten Redaction der „Kölnischen Zeitung“ den Antrag erhielt, die Leitung des Feuilletons derselben zu übernehmen. Der Rhein und die Nähe Westfalens zogen mit gleichen Kräften an ihm, und so ging er nun nach Köln. Vorher hatte er bei Cotta einen Band „Gedichte“ drucken lassen.

Auch hier theilte sich seine Thätigkeit in die des journalistischen Berufs und des poetischen Schaffens. Je mehr aber die letztere durch die erste beengt und gestört wurde, desto mehr mußte die Sehusucht nach Abschüttelung des Zwangs wachsen.

Und so sehen wir ihn, nachdem er sich auf einer italienischen Reise neue Kräfte und Anschauungen geholt, auch von Köln scheiden. Im Jahre 1852 wärmte er den Herd auf seinem eigenen Boden, indem er sich auf seinem Gute Sassenberg bei Warenborf im Münsterlande für immer niederließ.

Was er von da an geschaffen, gehört zu den besten und gediegensten Werken, von denen nicht wenige sicher sind, von den Sturmfluthen der Romanliteratur nicht hinweggeschwemmt zu werden. Unsere Leser erlassen uns die Aufzählung der einzelnen Zeugnisse seiner rastlosen Thätigkeit, welche sich der Lyrik und dem Drama, vor Allem aber dem Roman widmete; sie haben die Meisterschaft des Erzählers durch dessen Beiträge zu unserer Zeitschrift kennen gelernt und längst sich selbst ihr Urtheil über dieselbe gebildet. Was aber unser alter Mitarbeiter Schmidt-Weißenfels an den Schluß seines Lebensbildes von Levin Schücking setzte, das wollen wir hier wiederholen. „Die Schücking’schen Romane,“ sagt er, „bieten in volksthümlichen Sittenschilderungen, welche selbst mit Hülfe archivalischen Details gegeben werden, das Beste, was wir in dieser Art besitzen. Die ruhige Behaglichkeit der Erzählung, welche an Walter Scott mahnt, die Natürlichkeit der Conflicte und ihrer Auflösungen, die vielfach locale Färbung des Dialogs, der anmuthige Herzenshumor, der oft aus dem Dichter spricht – alle diese Eigenschaften erhöhen in den Romanen Levin Schücking’s die harmonische Grundstimmung. Die Phrase, die Raffinerie der Erfindungen, die künstliche Mache der Mode ist in ihnen nicht vertreten, wohl aber die feine Sinnigkeit, das frische Talent, deutscher Geist und deutsche Herzlichkeit, welche aus der Geschichte des echten, charaktervollen Volkslebens unseres Vaterlandes kostbare Gemälde zu schaffen wissen.“

Das Buch dieses Geistes und Herzens ist geschlossen. Wieder einer der treuen Alten ist heimgegangen. Immer kürzer wird die Reihe jener Zeit-, Kampf- und Strebensgenossen. Und wer dieser kurzen Reihe angehört, dem legt sich, wie Einer um den Anderen von hinnen scheidet, Flor um Flor um’s Herz und im Ohre summt das leise Wort:

„Warte nur, balde
Ruhest du auch.“

Fr. Hfm.




Juwelgruß[1]

an Deutschlands allverehrden Gunst- un Maler-Meester
den Herrn
Professer Dr. Adrian Ludwig Richter
in Loschwitz bei Dräsen.
Ze seinen achzigsten Geburtsdage,
d. 28. Sept. 1883,
ehrforchtsvoll dargebracht
von ännen alden Leibz’ger.

     

’S war in der Resedenstadt Dräsen
Vor grade achzig Jahr’n gewesen,
Da steckt’ ä junger Springinsfeld
Sei Schniffelnäschen in de Welt.

5
Un gaum, daß er ä Weilchen nu

Se ahnjeguckt mit Seelenruh
Von rechts un links, von om un unden
Un diese Welt gans hibsch befunden,
Da kriegt’ er iwwer all den Gucken

10
In Fingern so ä närr’sches Jucken:

„Fix,“ rief er, „gebt ä Bleistift mir –
Ich bringe alles ze Babier!“ –
Un siehe da, gesagt, gedhan,
Mei Ludwig fängkt ze malen ahn.

15
Un Dorf un Stadt, un Berg un Dhal

Un Sonnenschein un Wedderstrahl
Un Boom un Bach un Feld un Flur
Malt er von jetzt in eener Dur.
Un was in Lifden zibbelzabbelt,

20
Was iwwer’sch Gras hin kribbelkrabbelt,

Un was de huppst un was de springkt
Un was de biepst un was de singkt,
Was surrt un gurrt, was schwirrt un summt,
Was quietscht un fietscht, was brillt un brummt,

25
Un was de krächzt un was de grunst,

Das fällt zer Beide seiner Gunst.
Doch Mägd- und Knäblein, Weib- un Männichen
Malt eegal er dorch acht Dezennichen –
Gorz, schließlich frägt ä jeder sich:

30
Was malt denn dieser Ludwig nich?

– Denn wenn (wie manchmal jetzt ’s Gerede)
De Welt ämal erfrieren dheede,
Indem de Sonne streikt’ un spreeche:
Mei Gohlenvorrath geht zer Neege –

35
Un ’s fiel (denn wie gann’s andersch sein?)

Den liewen Gott hernachens ein:
Das bischen Welt war doch recht scheen,
Ich will noch ’mal an’s Schaffen gehn! –
Un wenn er dann nich gleich am Ende

40
De alden Schepfungkspläne fände –

Was meent ihr wohl, was er da machde?
Er winkde seinen Betrus sachde:
„Freind,“ spreech er, „geh ämal ä Gangk
In unsern Gunst- un Biecherschrank

45
Un hole fix ämal von da

Mir Ludwig Richter’sch Obera!“ -
Bald dheet’ uf seinen Schooß de Mabben
Er schmunselnd ausenander klabben
Und schief de neie alde Welt,

50
Wie Richter’sch Blei se dargestellt.

Dann residirt’ er Stick fer Stick
Das All mit seinen Schepferblick
Un spreeche froh un wohlgemuth:
„Ich wußt’ es, das Rezept is gut!“

Edwin Bormann.




Kleiner Briefkasten.

K. L. in Osnabrück. Das dramatische Luther-Festspiel, welches in Jena aufgeführt werden soll, ist von Otto Devrient gedichtet worden. Die Aufführungen finden zunächst am Sonnabend, den 13., und Sonntag, den 14. October, statt, werden an den gleichen Tagen der folgenden Wochen fortgesetzt und am 10. und 11. November geschlossen werden.

B. G. in Berlin. Nach dem soeben von Dr. Fr. Schneider herausgegebenen „Jahresbericht für 1882 über die aus Selbsthülfe gegründeten deutschen Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften“ (Leipzig, Julius Klinkhardt, 1883) beträgt die Gesammtzahl dieser Vereine im deutschen Reich 3550. Ihnen gehören rund 1,100,000 bis 1,200,000 Mitglieder an, und ihre geschäftlichen Leistungen kann man auf einen Umsatz von mehr als 2000 Millionen Mark veranschlagen.



Inhalt: Die Braut in Trauer. Erzählung von Ernst Wichert. S. 641 — Im Kampf um’s Recht. Ein Zeitbild aus Siebenbürgen. S. 644. Mit Portaits. S. 645 — In den Schlössern der Maria Stuart. Von Wilhelm Hasbach. Mit Illustrationen auf S. 648 u. 649. — Der Letzte von Hohen-Realta. Von St. v. J. S. 650. Mit Illustration von F. Stückelberg. S. 652 u. 653. — Das Thermometer in der Familie. Offener Brief an eine Mutter. Von Dr. L. Fürst. S. 654. Mit Abbildungen. — Die Geisterinsel. Gedicht von Heinrich Heine. Mit Illustration von Paul Thumann. S. 659. — Blätter und Blüthen: Heinrich Heine’s Buch der Lieder, illustrirt von Paul Thumann. Ein westfälischer Dichter. S. 658. — Juwelgruß. Gedicht von Edwin Bormann. — Kleiner Briefkasten. S. 660.



Unter Verantwortlichkeit von Dr. Friedrich Hofmann in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

  1. Unter den vielen Glückwünschen, welche dem Jubilar zu seinem 80. Geburtstage eingesandt worden, befindet sich auch der obige „Juwelgruß“, den wir seiner gelungenen Form und originellen Auffassung wegen gern als eine Probe unserer Dialektdichtung nachträglich veröffentlichen.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1883). Leipzig: Ernst Keil, 1883, Seite 660. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1883)_660.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2024)