Anonym: Edda | |
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wird. Diese erinnern nun an jene Baldurs in dem folgenden Liede, das in seinem Grundgedanken mit dem unsern so innig verwandt ist, daß wir es als dessen vermisste andere Hälfte betrachten. Überraschend wird dieß dadurch bestätigt, daß unser Lied noch eine zweite Überschrift führt, welche Forspiallsliodh lautet. Daß sie nur den ersten fünf Strophen gelten sollte, hinter welchen Rask abtheilt, können wir nicht mit Uhland annehmen, weil in der folgenden sechsten Strophe, wie wir sehen werden, Idun zwar zuerst unter diesem Namen erwähnt wird, aber schon früher unter dem Urds eingeführt war, mit Str. 6 also kein neuer Abschnitt anhebt. Die zweite Überschrift bezeichnet das Gedicht mithin als ein Vorspiel zu dem folgenden, auf das es auch verweist, da die Hindeutung auf den kommenden Morgen und den über Nacht zu faßenden Rath Str. 20, nachdem Iduns Besendung keinen Erfolg gehabt hat, nur die Befragung der Wala (Wöle) meinen kann, die den Inhalt der Wegtamskwida bildet. Ein Vorspiel zur Wegtamskwida ist unser Gedicht auch schon in einem weitern Sinne. Wenn nämlich Wegtamskwida von dem Tode Baldurs, des besten der Asen, handelt, in ihm also die Götterdämmerung gleichsam schon eingeleitet ist, so wird in unserm Liede der Eintritt der Winterzeit eben als ein Vorspiel des nahenden Weltunterganges behandelt.
Daraus ergiebt sich nun, daß unser Lied, wenn auch als Bruchstück gedichtet, doch vollständig erhalten ist, mithin bei der Erklärung des Namens Rabenzauber Odhins auf einen fehlenden zweiten Theil, der das Ergebniss des Rabenflugs bringen sollte, nicht verwiesen werden darf. Bei seiner Deutung sind wir demnach lediglich auf die dritte Strophe angewiesen, welche diese Überschrift wohl veranlaßt haben kann. Freilich ist er von einem einzelnen Zuge hergenommen, und läßt den Grundgedanken des Liedes unausgesprochen. Wir wißen aber auch nicht, von Wem er herrührt, ob von dem Dichter selbst oder von einem spätern Abschreiber. Wir haben gesehen, daß auch Gylfaginning von einem solchen, nicht von seinem Verfaßer, den Namen erhielt. Von dem Dichter unseres Liedes möchten wir glauben, daß er sein viel späteres und darum im Ausdruck gesuchteres Werk nur als Vorspiel zur Wegtamskwida gedichtet und darum auch als Forspiallsliodh bezeichnet habe. Wir wißen nicht, ob Pauli sich auf Handschriften bezieht, wenn er meldet, die Wegtamskwida selber habe einst den Namen unseres Liedes getragen, was jedenfalls auf beider Verbindung deutet.
Die Übersetzung sucht dem Leser das Verständniss des Liedes durch Weglaßung einiger seltnern Namen Odhins und eines Beinamens Iduns
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 371. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/379&oldid=- (Version vom 31.7.2018)