Anonym: Edda | |
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Seine Gattin ist Gudrun, da ich Gunnars bin.
Üble Nornen schufen uns langes Unheil.“
Über Eis und Gletscher, wenn der Abend kam,
Daß Er und Gudrun zu Bette gingen
Und Sigurd die Braut in die Decken barg,
Der hunische König, und kos’te der Frau.
Nur Graun mag mich ergetzen und grimmer Sinn.“
„Ganz und gar sollst du, Gunnar, entsagen
Mir zumal und meinen Landen.
Nicht froh hinfort, werd ich, Fürst, bei dir.
Zu meinen Freunden und nächsten Vettern.
Da will ich sitzen, verschlafen mein Leben,
So du den Sigurd nicht sterben läßest
Und vielen Fürsten furchtbar gebietest.
Unweise wär es den jungen Wolf ziehn.
Welchem Manne wird die Mordbuße
Zu sanfter Sühne bei des Sohnes Leben?“
Schwankendes Sinnes saß er den langen Tag:
Immer noch wust er nicht für gewiss
Was ihm am Meisten möchte geziemen,
Was ihm zu thun das Tauglichste wäre:
Er wuste, des Wölsungs würd er beraubt,
Und konnte Sigurds Verlust nicht verschmerzen.
Das war selten geschehen vordem,
Daß der Königswürde ein Weib entsagte.
Da hieß er den Högni heischen zum Gespräch,
Denn volles Vertrauen trug er zu dem.
Karl Simrock (Hrsg.): Die Edda, die ältere und jüngere, nebst den mythischen Erzählungen der Skalda, 6. Aufl., Stuttgart 1876, Seite 193. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Edda_(1876).djvu/201&oldid=- (Version vom 31.7.2018)