Um nicht mit diesen düsteren Bildern die heitere Kunstschau zu beschließen, durfte ich die großen Meisterwerke
welche sich mit und neben den anderen Richtungen heranzieht und zur größten Selbstständigkeit ausgebildet hat, bis hierher aufsparen. Einige Worte darüber mögen im voraus gegönnt sein.
Die Natur erhielt erst, wie die Undine im Mährchen, eine Seele im Kampfe mit dem Geiste des Christenthums. Sie kam dadurch dem menschlichen Gemüthe zuerst, im Gegenüberstehen zu demselben, zum Bewußtsein. Ihre Seele, wie sie sich in den Gebilden der Gebirge und Flächen, in Pflanzen und Bäumen aussprach, objectivirte sich dadurch von selbst in der Kunst desto siegreicher, je mehr die christliche Transcendenz darin unterging. So drängt sich schon in die Gemälde der Venetianer die Gegend mächtig herein. Zugleich mit der Abstumpfung der Conflicte des Gemüthes im pathologischen Leben gewann die Naturseele für die Aeußerung ihrer Träumereien den lyrisch-musicalischen Ausdruck in der Landschaftsmalerei.
Die Landschaftsmalerei und die Musik haben eine gleiche Quelle, – das Traumleben der Natur, wo das historische untergegangen ist. In ihren letzten Wurzeln sind beide die sinnlichsten Künste in der unschuldigsten Form.
Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 186. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/196&oldid=- (Version vom 31.7.2018)