und Schatten zurück. Je länger wir dem Manne in das Gesicht blicken, desto lebendiger gestaltet es sich heraus. Es ist weich, träumerisch und die Seele, welche sich darin abspiegelt, phantastisch und empfindungsreich. Wie das Bild beleuchtet ist, drückt sich darin der melancholische Gedanke aus:
Hell leuchten das Buch und die Hand, die es schrieb;
Dahinter der Dichter im Schatten blieb.
So hat sich in Rembrandt eine ganz neue Seite der Kunst herausgestellt. Es ist das wundereigenste Genie, welches ganz auf sich selbst ruht und aus sich selbst schafft. Jeder andere Meister ist mit einem anderen aus seiner oder einer anderen Schule zu vergleichen, nur nicht Rembrandt. Es beginnt mit ihm ein ganz neuer Wendepunct der Malerei, in welchem die Conflicte des religiösen und historischen Lebens sich ausgleichen in dem Gemüthe. In der neueren Zeit hat der Maler Lessing in Düsseldorf, wenn auch mit anderen Mitteln, denselben poetischen Ausdruck wiedergefunden. Es ist möglich, daß in dieser Richtung die deutsche Kunst einst ihr höchstes Ziel erreicht.
Die Schüler Rembrandt’s, so bedeutend sie auch sind, haben den lyrischen Ausdruck des Gemüthes, in welchem ihr Meister so mächtig ist, mit der nur ihm eigenen Energie, nicht wiedergewinnen können.
Julius Mosen: Die Dresdener Gemälde-Galerie. Arnoldische Buchhandlung, Dresden und Leipzig 1844, Seite 149. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Dresdener_Gem%C3%A4lde-Galerie_(Mosen).pdf/159&oldid=- (Version vom 31.7.2018)