„Gut, es sei …! Sie werden also von hier aus sofort im Auto nach Potsdam fahren, werden sich dort an einen Mann wenden, der vor dem Bahnhof mit einem Handwagen steht – einem zweiräderigen Karren, wie ihn die Gepäckträger benutzen. Der Mann trägt eine blaue Seglermütze, an der vorn ein auf Messing gestanztes S befestigt ist – nur der eine Buchstabe S. Ich werde Ihnen für den Mann einen Zettel mitgeben. Das genügt dann … – Anna, Papier und Bleistift …“
Er schrieb …
Als er fertig war fragte er nochmals:
„Herr Harst, wir sind also einig … Keinerlei Verrat Ihrerseits, bis Sie beide an Ort und Stelle sind … Fluchtversuche sind dann gestattet … Aber – – ich warne Sie! Sollten Sie Hintergedanken haben, sollten Sie nicht direkt bis Potsdam fahren, so … kann es geschehen, daß … Sie im Auto umkommen … – Anna, telephoniere …“
Die „Schwester“ verschwand …
Wir drei schwiegen …
Dann kehrte Anna zurück und nahm uns die Fesseln ab.
Selchow reichte Harald den Zettel … „Der Chauffeur weiß Bescheid … Auf Wiedersehen, meine Herren …“
Und Anna begleitete uns die Treppe hinab …
Ein Taxameterauto hielt vor der Tür … Der Chauffeur war ein graubärtiger Mann … Der graue Bart erschien mir nicht ganz echt.
Wir stiegen ein … Anna warf die Tür zu …
Und da erst sahen wir, daß den Türen von innen die Drücker fehlten.
So … fuhren wir beide zum ersten Male in unserem Leben freiwillig in die Gefangenschaft. –
Wir konnten getrost zur Beruhigung unserer immerhin etwas mitgenommenen Nerven eine Zigarette rauchen, und ich wieder hatte Gelegenheit, Harald einiges zu fragen …
Die Hauptfrage:
„Das Testament ist eine Fälschung?“
Max Schraut: Der rätselhafte Gast. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_r%C3%A4tselhafte_Gast.pdf/57&oldid=- (Version vom 31.7.2018)