Harst kondolierte herzlich … Auch ich redete etwas von „schwerem Verlust“ – und so weiter …
Dann holte Harald einen Brief hervor …
„Hier – diesen Rohrpostbrief schickte mir Doktor Lüder heute früh – der Kriminalkommissar Doktor Lüder … Denken Sie nur, Herr Rittmeister, der Lord ist in der verflossenen Nacht in seinem Krankenzimmer im Sanatorium Seeheim vom Garten aus erschossen worden …!“
Selchow runzelte die Stirn …
Herr Harst, verlangen Sie nicht, daß ich mit dem Manne Mitleid haben soll! Unmöglich! Er hat … zu viel Unheil angerichtet! – Trotzdem regt mich die Nachricht auf … Bitte – reichen Sie mir den Portwein … Ich habe auch für Sie zwei Gläser bereitstellen lassen … Bitte – schenken Sie ein, Herr Schraut … Ich möchte auf Ihr Wohl trinken, meine Herren …“
Harst winkte ab …
„Wir sind vormittags stets strikte Abstinenzler, Herr Rittmeister … Entschuldigen Sie schon … Aber wir …“
Selchow lachte schrill …
„He … he, – – Sie werden trotzdem trinken …!! Trinken müssen, meine Herren … Hilft Ihnen nichts … Gefangene Füchse saufen das, was sie vorgestellt bekommen!!“
Und – im Nu hatte er unter der Steppdecke in jeder Hand eine … Luftpistole zum Vorschein gebracht …
Und – – hinter dem Türvorhang zeigte sich nun die Pflegerin – – gleichfalls bewaffnet …
Der Herr Rittmeister saß jetzt aufrecht im Bett …
Sagte mit eisigem Hohn:
„Falls Sie noch ein paar Stunden zu leben wünschen, rate ich Ihnen dringend, den Mund zu halten und die Arme vorzustrecken … Das Lustspiel hier ist zu Ende … Die Tragödie beginnt – – für Sie beide!! – – Bitte!!“
Die Lage für uns war zu ungünstig, als daß wir irgendwie an Gegenwehr hätten denken können …
Und – – die Pflegerin legte uns dann fein säuberlich
Max Schraut: Der rätselhafte Gast. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1925, Seite 53. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_r%C3%A4tselhafte_Gast.pdf/54&oldid=- (Version vom 31.7.2018)