Teil der armenischen Bevölkerung wurde in diesem am äußersten Ende der Stadt gelegenen Teil zusammengedrängt, etwa 10 bis 12 000 Personen.
Es kam der 4. Juli. Das Bombardement und die Angriffe der Kurdenhorden steigerten sich zu größter Heftigkeit. Aber auch die wenigen armenischen Verteidiger verdoppelten ihren Widerstand und erschossen Hunderte von Kurden. Was wollte das aber bedeuten? Die Häuser von Zor wurden allmählich in Trümmer geschossen und alle Armenier, welche noch am Leben geblieben waren, beschlossen, in der folgenden Nacht den an Zor grenzenden Fluß zu überschreiten und in die Berge von Goghu Gluch zu fliehen, in der Hoffnung, Sassun zu erreichen. In der elften Abendstunde setzte sich die Masse in der Richtung auf den Fluß in Bewegung. Aber die brennenden Häuser beleuchteten die Gegend auf 8–10 Kilometer Entfernung hin. Sie wurden von ihren Verfolgern bemerkt und beschossen. Viele fielen den Kugeln, andere dem Gedränge, und wieder andere den Wellen zum Opfer, und nur 5–6000 erreichten das andre Ufer und flohen in die Berge.
Die Kurden sammelten dann alle Verwundeten und etwa in der Stadt noch versteckten Armenier und verbrannten sie auf einem ungeheuren Scheiterhaufen.
Was sich aus der Ebene von Musch noch flüchten konnte, floh in die Berge von Sassun.
Sassun war nicht leicht zu bezwingen, das wußten die Türken aus der Zeit der Massakers von 1894/6. Bei Ausbruch des Krieges hatten die Kurden sie umschmeichelt und ihnen versprochen, ihre freundnachbarlichen Beziehungen aufrecht zu erhalten. Die Armenier ihrerseits versicherten die Kurden ihrer Freundschaft. So waren denn auch eine Zeitlang die Beziehungen ungetrübt. – Anfang 1915 begann die Regierung die Gegenden mit weniger dichter
Johannes Lepsius: Der Todesgang des armenischen Volkes. Tempelverlag, Potsdam 1919, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Todesgang_des_armenischen_Volkes.pdf/153&oldid=- (Version vom 31.7.2018)