Die akademisch gebildeten Christen, welche noch heute bedauerlicherweise an den rituellen Blutgenuß der Juden glauben, legen das Hauptgewicht bei der Rechtfertigung ihres Aberglaubens, soweit meine Erfahrung reicht, auf die Geständnisse, welche von vielen des Ritualmords angeklagten Juden abgelegt worden sind. Wie ist es möglich, sagen diese Christen, die wegen Ritualmords angeklagten Juden freizusprechen, wenn sie selbst den Platz angeben, wo sie die Überreste der von ihnen ermordeten Christen vergraben haben, und wenn an diesem Platze die Gebeine der Ermordeten oder ihre Überreste auch in der That gefunden werden? So war es in Damaskus, sagen sie, so war es in Trient, und so geschah es, wollen wir beifügen, auch noch an anderen Orten, wo Prozesse wegen Ritualmords geführt worden sind. In Damaskus gestanden die Angeklagten im gerichtlichen Verhör, daß sie die Überreste des Kapuzinerpaters Thomas in eine Kloake geworfen hätten, und sie wurden auch wirklich daselbst gefunden; in Trient sagten die Angeklagten aus, sie hätten das aufgefangene Blut des ermordeten Knaben Simon in einer Flasche an einem bestimmten Ort aufbewahrt, und eine Flasche mit Blut fand sich auch wirklich an dem bezeichneten Orte vor. Wenn nun diese Aussagen sich als wahr erwiesen haben, so wird, sagt man, auch die Annahme vollkommen berechtigt sein, daß auch die Geständnisse über die Geheimlehre vom jüdischen Blutgenuß, welche die nämlichen Angeklagten abgelegt haben, auf Wahrheit beruhen. In meiner Schrift über den Ritualmord habe ich das Nötige über diese Aussagen bereits ausgeführt. Die Juden in Trient und in Damaskus gestanden unter der Folter alles, was man wünschte und verlangte, daß sie es gestehen sollten. Was sie aber gestehen sollten, erfuhren sie unter der Hand, und auf diese Weise konnten sie in Damaskus eine Kloake nennen, wo man verstampfte Knochen, einen Tuchlappen und Barthaare fand, und unter diesen Umständen konnten sie auch in Trient einen Ort angeben, wo eine Flasche mit Blut gefunden wurde. Wie aber die Sache selbst gemacht wurde, ist von ehrlichen Christen schon im Jahre 1476 in Regensburg aufgedeckt worden. Dort waren sechs Juden wegen Ermordung
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/8&oldid=- (Version vom 31.7.2018)