gläubig wurden und sich taufen ließen. Diese haben aber ebensowenig wie die Apostel und deren Schüler von einer jüdischen Geheimlehre gewußt, nach welcher die jährliche Opferung eines Menschen und der Genuß seiner Eingeweide geboten gewesen wäre. Das gleiche müssen wir auch von den Nachfolgern der Apostel sagen.
Weder der Papst Evaristus (101-c.109), der von Geburt ein Jude aus Bethlehem war, noch irgend ein anderer Papst in der langen Reihe der Nachfolger des heiligen Petrus hat den Juden jemals eine so ruchlose Geheimlehre zum Vorwurfe gemacht. Dagegen läßt sich eine ganze Reihe von Päpsten aufzählen, welche unter Androhung schwerer Strafen den Christen verbieten, die Juden in der Ausübung ihrer religiösen Gebräuche zu stören oder zu behindern; das hätten sie aber ganz gewiß nicht gethan, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, oder wenn sie geglaubt hätten, daß nach einer jüdischen Geheimlehre die Abschlachtung von Menschen und der Genuß ihres Blutes eine religiöse Übung sei.
Als in den ersten christlichen Jahrhunderten nicht bloß von den Heiden, sondern auch von den Juden den Christen vorgeworfen wurde, daß sie Kinder schlachten und ihr Blut genießen, hätten die Christen mit Fug und Recht auf Apions Erzählung von der oft genannten jüdischen Geheimlehre hinweisen und auf die Juden den Vorwurf zurückschleudern können, daß nicht bei den Christen, sondern bei den Juden nach ihrer Geheimlehre der Genuß von Menschenfleisch und Menschenblut eine religiöse Übung sei, aber weder bei heidnischen noch bei christlichen Schriftstellern finden wir eine Andeutung, daß dieser Vorwurf damals in der That gegen die Juden erhoben worden sei.
Die im 13. Jahrhundert von dem deutschen König und römischen Kaiser Friedrich II. aus allen Reichen der abendländischen Christenheit zusammenberufenen Judenchristen haben sich einstimmig dahin ausgesprochen, sowohl in der Heiligen Schrift als auch im Talmud sei den Juden ausdrücklich geboten, daß sie sich vor der Befleckung mit jeglichem Blute hüten sollen. Wenn ihnen aber das Blut sogar der erlaubten Tiere verboten ist, dann können sie unmöglich nach dem Blute von Menschen dürsten. Von einer jüdischen Geheimlehre, die im Gegenteile den Genuß von Menschenblut als eine religiöse Übung
Friedrich Frank: Nachträge zu „Der Ritualmord vor den Gerichtshöfen der Wahrheit und Gerechtigkeit“. Verlagsanstalt vorm. G. J. Manz Buch- und Kunstdruckerei A.-G. München-Regensburg, Regensburg 1902, Seite 13. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Ritualmord_vor_den_Gerichtsh%C3%B6fen_(1902).djvu/13&oldid=- (Version vom 8.12.2022)