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Seite:Der Piratenschoner.pdf/7

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uns von ihm mit einem „Sonntag auf Wiedersehen.“ – Uns beide brachte der Wagen nach dem Bahnhof. Wir lösten Fahrkarten bis Bangalore, obwohl wir gar nicht die Absicht hatten, dorthin zu reisen.

Am Fahrkartenschalter hatte mir Harald leise zugeflüstert, die anderen Leute zu beobachten, die nach ihm an den Schalter herantreten würden.

Ich studierte zum Schein die aushängenden Plakate.

Bald fiel mir ein Matrose auf, der, den leicht Angetrunkenen spielend, sich am Schalter dicht hinter Harst drängte. Der Matrose war fraglos ganz nüchtern. Das erkannte ich an dem gespannten Gesichtsausdruck, mit dem er hinhorchte, als Harald die Karten nach Bangalore forderte.

Ich wußte genug. Harald hatte mit Spionen gerechnet. Und er hatte richtig vermutet: wir wurden beobachtet. –

Zwei Stationen hinter Madras verließen wir den Zug. Der Matrose, ein kleiner Kerl mit goldenen Ohrringen, hatte auf dem Bahnsteig in Madras aufgepaßt, ob wir wirklich abfuhren. Den Zug hatte er nicht bestiegen. Wir waren also sicher vor ihm.

Ein Mietauto brachte uns nach Madras zurück. Wir langten gegen elf Uhr abends vor einem kleinen Hotel an, belegten zwei Zimmer im Erdgeschoß nach dem Garten hinaus, zahlten für acht Tage voraus und sagten dem Hotelbesitzer, wir würden frühmorgens auf ein paar Tage nach einer Plantage ins Innere reisen, er möchte unsere Koffer in Verwahrung nehmen. –

Um 12 Uhr nachts verließen zwei ältere, bärtige Seeleute, jeder mit einem Bündel in der Hand, das Hotel durch das Fenster und wandten sich dann dem Hafen und dem Westkai zu. –

Bei Mutter Flepp war noch großer Betrieb.

Die Kneipe bestand aus einem einzigen Raum, der an den Wänden durch Efeukästen in einzelne Boxen abgeteilt war. Der Schanktisch lag dem Eingang gegenüber.

Und hinter diesem Schanktisch thronte auf einem hohen Schemel die Besitzerin dieses[1] Seemannsheims, die in ganz Vorderindien berühmte Mutter Flepp.

Das große, hagere Weib trug ein schwarzes Seidenkleid, dazu einen weißen Spitzenkragen und so viel Brillanten an Händen, Hals und Ohren, daß diese Pracht jeden Gauner gereizt


  1. Vorlage: diess
Empfohlene Zitierweise:
Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 7. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/7&oldid=- (Version vom 31.7.2018)