Der Kasten war mit weißer Seide ausgeschlagen. Man sah noch genau, wo die Diamanten in diesem Seidenbett ihre Plätze gehabt hatten.
Harst trat mit dem Kasten ans Fenster und hielt ihn schräg gegen das Licht.
„Nein – es find keine Fingerabdrücke darauf,“ meinte er. Dann legte er ihn wieder in das Versteck zurück.
„Schweigen Sie hiervon, Britton,“ sagte er ernst. „Sie merken nun wohl: Marlan haut weit daneben, wenn er Lady Broog für die Mörderin hält. Ich behaupte: dieser Fall ist so kompliziert, daß er mir viel Arbeit bereiten wird. – Wer ist der Täter? Was war das Motiv zur Tat? Diese Fragen wollen wir zunächst mal prüfen. Lady Broog scheidet aus. Einen Mord wird diese exzentrische Frau nie begehen. Ausgeschlossen! – Dann der Pole Stoschra. Ist er wirklich tot? Niemand hat Beweise dafür. Er kann also sehr wohl seine Diebesbeute zurückgeholt haben. – Schließlich der Neffe James Kingsarl. Auch er kommt in Betracht. Ich rate Ihnen also, diese beiden Fährten zu verfolgen, Britton.“
„Und Sie, Master Harst?“
„Ich werde mit Schraut jetzt mal zum Hafen hinabfahren und Charles Tallien, den alten Kapitän, auf seiner Mohalla besuchen.“
Britton wollte noch etwas fragen, aber Harst verließ schon das Zimmer und sagte dann: „Schließen Sie es ab, Britton, und bringen Sie Marlan den Schlüssel. Auf Wiedersehen.“ –
Die Mohalla lag wieder an der alten Stelle am Westkai. Als wir über die Laufplanke schritten, kam uns Tallien entgegen, begrüßte uns sehr erstaunt und überschüttete uns mit Fragen. Er glaubte uns auf der Atlanta weit in See.
„Ich möchte einiges wissen,“ sagte Harst, nachdem er Tallien kurz den Grund unserer Rückkehr nach Madras mitgeteilt halte. „Es handelt sich darum, ob Lady Broog, als sie damals auf dem Tamari-Flusse im Motorkutter entfloh, ihre Spangenschuhe mitgenommen hat. Können Sie darüber etwas angeben?“
„Nur das eine, daß vorgestern nacht ein Dieb hier an Bord gewesen ist und die verschlossene Kabine Lady Broogs ausgeplündert hat. Ob die Spangenschuhe sich in der Kabine befanden, kann ich nicht sagen, Master Harst.“
Walther Kabel: Der Piratenschoner. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1921, Seite 50. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Piratenschoner.pdf/50&oldid=- (Version vom 31.7.2018)