die nichts zu tun und zu verantworten brauchen, haben sich verschworen, zu singen, zu spielen, zu flöten und zu girren, meist aus keinem anderen vertretbaren Grunde als dem, woraus auch der Auerhahn balzt, tanzt, kapriolt und musiziert, Stunden und Tage lang; alle psychophysischen Spannungszustände entäussernd und der Umwelt mitteilend, bis dann schliesslich das erwünschte Nest und Eier da sind und die jungen Kücken, worauf es mit dem Kunsttrieb und der Kunstbegeisterung plötzlich ein Ende hat. Gott beschütze meine Ohren und verhelfe euch baldigst zu einem – Umzug in das Nordviertel. Ich aber stehe auf Leichen- und Trümmerstätten grausam gemordeter Gedankenkinder und habe nichts als den Stossseufzer des Dichters:
Jetzt rede mir nur Einer noch
Vom Schaffen oder Denken,
Vom sauer-süssen Arbeitsjoch
Vom tiefen Sichversenken.
Kaum sitz ich auf dem Stuhle fest
Mit ernst gesenkten Wimpern,
Beginnt mein Nachbar, Höll und Pest,
Voll Wut Klavier zu klimpern.
Zu stampfen, zu hacken,
Zu hämmern, zu knacken,
Zu martern, zu klopfen
Watte her,
Werg her,
Wachs her,
Ich will mir die Ohren verstopfen!
Theodor Lessing: Der Lärm. J. F. Bergmann, Wiesbaden 1908, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_L%C3%A4rm.pdf/75&oldid=- (Version vom 31.7.2018)