1. Die Cernirung einer insurgirten Stadt ist in neueren Zeiten sehr selten als einziges Mittel ihrer Unterwerfung angewandt worden (in früheren Zeiten öfter, um nur ein Beispiel anzuführen, durch Heinrich IV. gegen Paris); mit der Einschließung Wiens im Herbste 1848 war wenigstens eine Beschießung und ein gewaltsamer Angriff in einer Weise verbunden, daß die Einschließung gewissermaßen nur als sekundäres Mittel gelten konnte.
Der Hauptgrund, welcher in neueren Zeiten von der Cernirung insurgirter Haupt- oder anderer großer Städte, abgehalten haben mag, ist wohl die Befürchtung, daß
Wohl mag diese Ansicht Vielen als eine Ketzerei gegen die allein zum Erfolg führenden sogenannten Lehrsätze der Taktik erscheinen. Es soll auch diese Ketzerei keinesweges so weit getrieben werden, daß behauptet wird: im Kriege führten alle Wege zum Ziele. Betrachtet man die Kriegsgeschichte jedoch mit unbefangenem Auge, so wird man die Ueberzeugung gewinnen, daß es im Kriege viel weniger darauf ankommt, was man thut, als wie, wie man es thut, oder anders ausgedrückt: daß nicht die strategische oder taktische Richtung, die eingeschlagen wird, entscheidet, sondern die Kraft, mit der die eingeschlagene Richtung verfolgt wird.
Diesen rothen Faden verfolgend, läßt zwar die nachfolgende Betrachtung dem hier in Dresden eingeschlagenen Wege alle Gerechtigkeit widerfahren, gesteht jedoch auch andern (wenn auch nicht allen) Operationsweisen, welche erwählt werden konnten, die Möglichkeit des Gelingens zu.Friedrich von Waldersee: Der Kampf in Dresden im Mai 1849. E. S. Mittler und Sohn, Berlin 1849, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Der_Kampf_in_Dresden_im_Mai_1849.pdf/108&oldid=- (Version vom 31.7.2018)