gut wie der Mann. Sie durfte die Waffen führen und als Schildjungfrau gleich dem Jüngling auf Abentheuer ausziehen. Sie durfte in der Volksversammlung ihre Stimme geben, und oft folgten ganze Völker den Worten der Seherin. Sie war die unumschränkte Herrin des Hauses und in dessen wichtigen Angelegenheiten fragte sie durch geheime Zeichen und Loose die Götter um Rath und wurde als ein mit den Göttern vertrautes Wesen voll Andacht verehrt. Mit leerer Hand trat die Braut in das Haus des Gatten:er gab ihr als unabhängiges Eigenthum die Morgengabe. - Wo finden Sie für dies Alles ein Aequivalent in unsrer gebildeten, christlichen Zeit? auf leidendes Dulden ist ihr Platz in der Gesellschaft berechnet. Eine Frau die jedes Unrecht, jede Härte, jede Verletzung mit Sanftmuth erträgt, die weder Groll noch Erbitterung in sich aufkommen läßt und immer dem Willen des Gatten nachgiebt - das ist die beste Frau! eine ganz vortrefliche, eine höchst tugendhafte, ach, welch eine fromme Frau! Ich behaupte daß die Frauen mit diesen Maximen gründlich verdorben werden, denn - sie lernen heucheln und werden sclavisch niedrig gesinnt. Gleich und Gleich: so müssen sich die Geschlechter gegenüber stehen, und in einem Gleichgewicht, welches aus der sittlichen Basis der Selbst
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Erster Band. Berlin 1845, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn).djvu/189&oldid=- (Version vom 31.7.2018)