stand dem Budget vor, wenn es galt, gute Lehrer für die Kinder zu erwerben. Obgleich keine von Beiden irgend ein ausgezeichnetes Talent verrieth, so hatten sie doch neben dem wissenschaftlichen Unterricht Zeichen-, Musik- und Sprachmeister, und wenn die Hofmarschallin an die Zukunft ihrer Töchter dachte, so durfte sie sich mit wolbegründeter Zufriedenheit sagen: wie ihnen das Loos fallen möge, ob ein glänzender oder ein dunkler Platz sie erwarte, ob ein beschränkter oder ein reicher Wirkungskreis sie aufnehmen werde - für einen jeden würden sie vorbereitet sein und sich darin zurecht finden. Ihrer Kränklichkeit wegen mußte sie sich außerhalb des großen gesellschaftlichen Stromes halten, und sie that es gern. Durfte sie sich bei seltenen Gelegenheiten nicht ausschließen, so nahm sie daran Theil wie an jeder andern Obliegenheit - freundlich und mit graziösen Anstand. Eine anmuthige Pflichterfüllung in sanfte Kränklichkeit wie in eine lichte Wolke gehüllt, gleich fern von den schädlichen Rebeln böser Laune, wie von den Goldglanzfarben einer reichen Phantasie und eines stralenden Verstandes: das war ihr Leben. Es bewegte sich ausschließlich in der Sphäre des Gefühls; an die des Gedankens streifte es nur mit gelassener Frage, für welche sogleich eine Antwort im frommen
Ida von Hahn-Hahn: Zwei Frauen. Erster Band. Berlin 1845, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Zwei_Frauen_(Hahn-Hahn).djvu/009&oldid=- (Version vom 31.7.2018)