nahe gewähnte Gebirgskette sich in Wirklichkeit erhebt. Davor liegt noch eine öde blendende Ebene. Und auf ihr als erstes ein Kirchhof. Kahl und schmucklos. Denn wie die Lebenden, besitzen hier auch die Toten weder zierenden Strauch, noch duftende Blume. Kleine Steinhaufen kennzeichnen allein die einzelnen Grabstätten. Doch nicht dauernde Ruhe gewähren diese. Eben ist ein Grab frisch ausgeschaufelt worden; dabei sind Schädel und Gebeine des Toten, der bisher drin bestattet war, achtlos weggeworfen worden; zerstreut liegen sie nun umher; die Sonne glüht auf sie nieder, der Wind weht etwas ihres Staubes davon.
Schaudernd gewahrt es die Reisende.
Ein Dorf liegt vor ihr. Eigentlich nur eine einzelne Straße. Gefolgt von der stier gaffenden, vielfarbigen Bevölkerung, schreitet sie zwischen elenden Hütten. Fensterlos sind diese kümmerlichen Behausungen, aus Rohrgeflecht erbaut, über das Lehm gestrichen. Aber an vielen Stellen ist dieser Bewurf abgefallen, und die Gerüste grinsen hervor – auch diese bleichen Gerippen gleich.
Und dann folgt, abseits gelegen, und von einer hohen Lehmmauer abwehrend umgeben, ein großes weißes Haus.
Hier bleibt die Wanderin endlich stehen. Und muß
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 147. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/155&oldid=- (Version vom 31.7.2018)