Sie hatten sich in niedere Rohrsessel gesetzt, und während ein chinesischer Diener den Tee brachte, lautlos auf dicken Filzsohlen schreitend, erzählte die Wirtin: »Es war sehr schwer, in diese Halle zu dringen, denn sie gehört zu den eigentlichen Tempelräumen, und bei unserer Abmachung mit den Mönchen waren nur einige ihrer Zellen erwähnt worden. Aber nachdem wir dann zufällig hier einmal eingetreten waren, lockte gerade diese Halle ihn so sehr, daß ich mir vornahm, sie irgendwie für ihn zu erobern. Zuerst stahl ich mich ganz schüchtern herein, brachte den Götzen Blumen, stellte Vasen vor ihnen auf; und die Mönche ließen mich gewähren, sahen vielleicht eine angehende Konvertitin in mir. Täglich schmuggelte ich dann neue Dinge, deren man zum Leben bedarf, hier ein. Und so erwarb ich uns allmählich das stillschweigend anerkannte Recht, in dieser Halle die Tage zu verbringen.«
Es sah wirklich wohnlich aus in dem merkwürdigen Saale: Wandschirme, auf deren Goldgrund Drachen und Phönixe spielten, teilten ihn ab in behagliche Ecken; Liegestühle mit bunten weichen Kissen luden zu ruhigem Verweilen; und bequem zur Hand lagen auf Tischen viele Bücher und die neuesten, freilich recht alten Zeitungen westlicher Welt. Alles aber beherrschte, dräuend und furchtbar, der unheimliche fahlgrüne Krieger! Wie
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/116&oldid=- (Version vom 31.7.2018)