nun zurück über den Ozean und trug die vertriebene Königin heim in ihr einsames Schloß an öder Felsenküste. Sie aber ahnte nichts von Reise und Heimkehr, war tot und konnte doch nicht sterben. Der Geist, auf den sie sich stolz verlassen, war dahin, als sei er nie gewesen; doch der Leib, den sie stets gering geachtet, der bestand weiter, klammerte sich ans Leben und wollte nicht davon lassen.
Seitdem sind viele Jahre an der Königin vorbeigeschlichen. Die Laute der Welt tönen nicht mehr zu ihr. Still ist es hinter den vergitterten Fenstern in dem düstern Schloß. Und niemand kommt, und keiner fragt nach ihr.
Aber die letzten schwachen Wellen des großen heißen Meeresstromes, der den kalten Ozean seit Äonen durchquert, die dringen auch bis zu der fernen rauhen Küste, wo sich in Klippeneinsamkeit das Schloß der entthronten Königin erhebt. Und wenn dort oben im Norden die langen hellen Tage leuchten und auf den Felsen die Moose grünen, dann ist es zuweilen, als trügen jene warme Wellen einen schwachen Duft von ferne her mit sich ans Land - wie einen Gruß von keimüberfüllter Erde, von schillernden Blumen, die in schwüler Luft
Elisabeth von Heyking: Weberin Schuld. G. Grote’sche Verlagsbuchhandlung, Berlin 1921, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Weberin_Schuld_Heyking_Elisabeth_von.djvu/105&oldid=- (Version vom 31.7.2018)