einen Augenblick, dann strich er mit den Händen glättend über die Kolli, nahm den Säbel fort und streckte sich aus, einen Fuß ließ er auf den Boden herunterhängen.
„Ein Hundeleben…“ knurrte er, während er die Arme unter seinem Kopf kreuzte und die Augen schloß, „einem schäbigen Tataren wünsch’ ich so ein Leben nicht.“
Bald wurde es still, man hörte nur, wie Ssawelij schnarchte und wie der schlafende Schaffner, ruhig und langsam atmend, bei jedem Atemzug ein dumpfes und gedehntes: K–ch–ch–ch hören ließ… Hie und da knarrte in seinem Halse irgendein Rädchen, oder sein Fuß rührte sich und raschelte am Sack.
Ssawelij kehrte sich auf die andere Seite und schaute sich langsam um. Die Küsterin saß auf dem Hocker, die Wangen in die Hände gestützt und sah dem Schaffner ins Gesicht. Ihr Blick war unbeweglich, wie der eines Menschen, der erstaunt, erschrocken ist.
„Na, was glotzt du?“ zischte Ssawelij wütend.
„Was geht’s dich an? Schlaf!“ antwortete die Küsterin, ohne den Blick von dem lichtblonden Kopf loszureißen.
Ssawelij blies wütend alle Luft aus seiner Brust und drehte sich brüsk zur Wand. Drei Minuten später drehte er sich wieder unruhig um, kniete sich im Bette auf, stützte sich mit den Händen auf das Kissen und sah seine Frau scheel an. Die rührte sich immer noch nicht und schaute auf den Fremden. Ihre Wangen waren bleich geworden, und ihr Blick war in einem seltsamen Feuer entbrannt. Der Küster räusperte sich, rutschte auf dem Bauche aus dem Bett, ging zu dem Schaffner hin und bedeckte sein Gesicht mit dem Sacktuch.
„Warum tust du das?“ fragte die Küsterin.
„Daß ihn das Licht nicht blendet.“
Anton Pawlowitsch Tschechow: Von Frauen und Kindern. Musarion, München 1920, Seite 90. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Von_Frauen_und_Kindern_(Tschechow).djvu/090&oldid=- (Version vom 31.7.2018)