Verfahren. Der Strafprozeß wurde nicht mehr bloß auf Anklage, sondern von Amtswegen eingeleitet und bezüglich des Beweises machte man alles vom Geständnis des Angeklagten abhängig, welches der Richter auf alle Weise herbeizuführen suchte. Als energisches Mittel hiezu wurde nach dem Vorgange der Italienischen Doktrin und Praxis auch von der deutschen Wissenschaft und Praxis zur Folter gegriffen, und dieselbe nach und nach durch Landesgesetze und im 16. Jahrhundert durch die Reichsgesetzgebung in der peinlichen Gerichtsordnung Karls V. bestätigt.
Während aber die gesetzliche Regel eine Anwendung der Folter ursprünglich erst dann zuließ, wenn durch andre Beweismittel sattsame Anhaltspunkte für die Schuld des Angeklagten gewonnen waren, setzte sich bei Hexenprozessen die gerichtliche Praxis bald über diese Schranke hinweg und stellte den Grundsatz auf: die Zauberei bilde ein Ausnahme-Verbrechen, bei welchem schon ein leichter Verdacht, schon entfernte Anzeigen (Indizien) es rechtfertigten, zu Erhebung der Wahrheit, zu Erlangung von Geständnissen, auf Folter zu erkennen. Es genügte, daß die Angeschuldigte im Geruche der Hexerei stand.
Oskar Wächter: Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland. W. Spemann, Stuttgart 1882, Seite 123. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Vehmgerichte_und_Hexenprozesse_in_Deutschland_W%C3%A4chter.djvu/121&oldid=- (Version vom 31.7.2018)