Nicht nur für die Vollstreckung der Urteile, auch für die Entdeckung und Verfolgung von Verbrechen war die Verbreitung der Schöffen von hohem Belang. Denn sie hatten eine allgemeine Rügepflicht, sie waren verbunden, sei es auf Ansuchen des Verletzten, sei es aus eigner Wahrnehmung, solche Verbrechen, die nicht sonst ihren ordentlichen Richter fanden, vor einem Freistuhl auf roter Erde zur Anklage zu bringen. Ja, in gewissen Fällen konnten sie sofort richtend gegen den Verbrecher, wer es auch sei, einschreiten, kraft ihrer sehr weitgehenden Machtvollkommenheit „bei handhafter That“.
Wurde nämlich von Freischöffen der Vehme der Verbrecher entweder auf der That selbst ergriffen oder mit den Werkzeugen, mit denen er die That vollbrachte, oder mit dem, was er durch die That sich angeeignet, auf eine Weise betreten, die ihn ganz unverkennbar als Thäter bezeichnete, oder wenn er die That gestand – die Vehmurkunden nennen es: „mit habender Hand, mit blinkendem Schein (evidenter That) oder mit gichtigem (bekennendem) Mund“ – so konnte sogleich und wo auch der Verbrecher auf der That ergriffen werden mochte, also auch außerhalb Westfalen, gerichtet werden. Denn trafen nur
Oskar Wächter: Vehmgerichte und Hexenprozesse in Deutschland. W. Spemann, Stuttgart 1882, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Vehmgerichte_und_Hexenprozesse_in_Deutschland_W%C3%A4chter.djvu/093&oldid=- (Version vom 31.7.2018)